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Erschienen in: Der Freie Zahnarzt 6/2014

Open Access 03.06.2014 | fortbildung

Minimierung der krestalen Knochenresorption

Einfluss von Implantat-Abutment-Verbindung und Positionierung der Implantatschulter

verfasst von: Prof. Dr. F. Schwarz

Erschienen in: Der Freie Zahnarzt | Ausgabe 6/2014

Zusammenfassung

Krestale Knochenresorptionen können als physiologische Adaptation nach einer Implantatinsertion definiert werden. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche beeinflussende lokale Faktoren identifiziert, mit dem Ziel diese Remodellationsvorgänge zu minimieren. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse einer systematischen Literaturanalyse zum Einfluss der Implantat-Abutment-Konfiguration, der Positionierung des maschinierten Halsbereichs und der Implantatschulter sowie die hieraus ableitbaren praktischen Empfehlungen einer Konsensuskonferenz dargestellt.
Hinweise
Der Beitrag basiert auf einer Zusammenfassung der nachfolgenden Publikationen: Schwarz F, Alcoforado G, Nelson K et al (2013) Impact of implant-abutment connection, positioning of the machined collar/microgap, and platform switching on crestal bone level changes. Camlog Foundation Consensus Report. Clin Oral Implants Res, DOI 10.1111/clr.12269, und Schwarz F, Hegewald A, Becker J (2013) Impact of implant-abutment connection and positioning of the machined collar/microgap on crestal bone level changes: a systematic review. Clin Oral Implants Res, DOI 10.1111/clr.12215. Beide Publikationen können als „Open-access“-Beiträge von der Internetseite des Journals heruntergeladen werden.
» Prof. Dr. F. Schwarz studierte von 1993 bis 1998 Zahnmedizin an der Universität des Saarlandes, Homburg, Saar. Er erhielt 1999 die zahnärztliche Approbation und wurde 2001 promoviert. Im Jahr 2003 wurde ihm die Anerkennung zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie ausgesprochen.
» Die Ernennung zum Oberarzt erfolgte 2004, Habilitation und Erteilung der Venia Legendi für das Fach Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde 2005. Seit 2006 ist er als leitender Oberarzt an der Heinrich-Heine-Universität beschäftigt.
» Es erfolgten Rufe als Associate Professor in Implant Dentistry an die Hong Kong University, als Director Implant Dentistry an die New York University, College of Dentistry, und als Clinical Associate Professor in Oral Surgery an die Faculty of Medicine and Health, University of Leeds, UK. Schwarz ist Träger des André Schröder Research Prize des International Team for Implantology und des Miller-Preises der Deutschen Gesellschaft für Zahn, Mund- und Kieferheilkunde. Er ist Associate Editor des Journal of Clinical Periodontology sowie Editorial Board Member der Zeitschriften Clinical Oral Implants Research, Quintessenz Implantologie und Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie. Des Weiteren ist er Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) e. V. und Member of the EAO Junior Committee.

Interessenkonflikt:

F. Schwarz hat Forschungsförderungen durch und Referententätigkeiten für Camlog Foundation, Basel, Schweiz erhalten. Weiterhin ist er ein Board Member der Camlog Foundation, Basel, Schweiz. Alle nationalen Richtlinien zur Haltung und zum Umgang mit Labortieren wurden eingehalten, und die notwendigen Zustimmungen der zuständigen Behörden liegen vor.

Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags
  • kennen Sie den grundelegenden Einfluss der Implantat-Abutment-Konfiguration auf die krestale Knochenresorption nach einer Implantatinsertion.
  • können Sie die Bedeutung der Insertionstiefe von Implantaten mit maschinierter Halspartie erklären.
  • kennen Sie den Stellenwert der Insertionstiefe von Implantaten mit strukturierter Halspartie.

Hintergrund und klinische Fragestellung

Zahlreiche präklinische und klinische Untersuchungen konnten belegen, dass die Insertion enossaler zahnärztlicher Implantate einen physiologischen Remodellationsprozess nach sich zieht und somit zu einer Veränderung der krestalen Knochenniveaus führt [1]. Nach einer funktionellen Belastungsphase von drei Jahren kann der interproximale radiologische Knochenverlust mit ca. 0,5 mm angegeben werden [2, 3]. Diese Werte können insbesondere im vestibulären Bereich des knöchernen Implantatlagers ausgeprägter sein. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurde kein signifikanter Einfluss unterschiedlicher Implantatdesigns oder spezifischer Oberflächeneigenschaften auf diesen physiologischen Remodellationsprozess belegt [2, 3]. Im Gegensatz hierzu führte die Reduktion des „Abutment“-Durchmessers relativ zur Implantatplattform („platform switching“) radiologisch zu einem besseren Erhalt des interproximalen Knochenniveaus (kalkulierte Differenz zu bündigen Implantat-Abutment-Konfigurationen 0,35 mm). Die biologischen Hintegründe und die klinische Relevanz des Platform-switching-Konzepts wurden in einer vorhergehenden Übersichtsarbeit bereits ausführlich dargestellt [4]. In den vergangenen Jahren konnten weitere Faktoren mit potenziellem Einfluss auf die physiologischen Remodellationsvorgänge identifiziert werden. Hierzu zählen die Implant-Abutment-Verbindung [5], die Höhe der maschinierten Schulterpartie [6, 7], die Ausprägung des Mikrospalts am „implant-abutment interface“ [8, 9] und deren Positionierung relativ zum krestalen Knochenniveau [10].
Um dem Kliniker ein valides Protokoll zum bestmöglichen Erhalt des marginalen Knochenniveaus nach Implantatinsertion geben zu können, wurden diese potenziellen Einflussfaktoren im Rahmen einer Konsensuskonferenz [11] bewertet. Als Grundlage hierfür diente eine systematische Literaturanalyse [12], die die nachfolgende fokussierte Fragestellung adressierte: „Was ist der Einfluss der Implantat-Abutment-Konfiguration und der Positionierung des maschinierten Halsbereiches/des Mikrospaltes auf die Veränderung des krestalen Knochenniveaus?“ [12].
In die Analyse [12] aufgenommen wurden nur Publikationen, die die nachfolgenden Kriterien erfüllten:
  • international begutachtete Publikationen in englischer Sprache,
  • tierexperimentelle oder klinische (prospektive randomisierte kontrollierte oder vergleichende) Studien,
  • histologische (tierexperimentell) oder radiologische (tierexperimentell und human) Bewertung des krestalen Knochenniveaus („crestal bone level“, CBL, vertikale Distanz zwischen der Implantatschulter und dem koronalsten Knochen-Implantat-Kontakt) nach Implantatinsertion und offener (transmukosaler) Heilung.
Während der zweiten Phase der Literatursuche wurde ein Teil der identifizierten Beiträge gemäß den nachfolgenden Ausschlusskriterien verworfen:
  • Vergleich von Implantaten mit unterschiedlichem Makrodesign,
  • Bewertung von anderen Einflussfaktoren als die Implantat-Abutment-Konfiguration oder die Positionierung des maschninierten Halsbereichs/des Mikrospalts,
  • tierexperimentelle Studien: Aufnahmen von weniger als zwei Tieren pro Beobachtungszeitraum/Gruppe,
  • klinische Studien: Studiendesign anders als prospektiv randomisiert kontrolliert oder vergleichend,
  • lokal oder systemisch kompromittierte Studienmodelle.

Unterteilung der identifizierten und selektierten Publikationen

Die systematische elektronische und manuelle Literatursuche durch zwei unabhängige Personen führte zur Identifikation von 318 potenziell relevanten Publikationen. Während der ersten Phase der Selektion mussten 293 Publikationen verworfen werden. Lediglich 13 der verbliebenen 25 Publikationen konnten gemäß den prädefinierten Ein- und Ausschlusskriterien in die Analyse einbezogen werden [12]. Diese gliederten sich wie folgt:
  • Drei tierexperimentelle und zwei klinische Studien untersuchten den Einfluss unterschiedlicher Lokalisationen des maschinierten Halsbereichs.
  • Fünf tierexperimentelle und eine klinische Studie untersuchten den Einfluss der Positionierung des Mikrospalts.
  • Eine tierexperimentelle und eine klinische Studie verglichen unterschiedliche Implantat-Abutment-Konfigurationen (das heißt intern: flach versus konisch oder extern versus intern).

Positionierung des maschinierten Halsbereichs

» Zusammenfassende Ergebnisse

Alle bewerteten Publikationen zeigen, dass eine suprakrestale Positionierung des maschinierten Halsbereichs sowohl an ein- als auch zweiteiligen Implantatsystemen zu einer geringeren krestalen Knochenremodellation führte als eine entsprechende subkrestale Insertion. Die Metaanalyse der drei tierexperimentellen Studien [6, 7, 13] ergab zwischen den Gruppen eine gewichtete mittlere Differenz (95 %-Konfidenzintervall) von 0,835 mm.

» Konsensusstatements

Die subkrestale Insertion maschinierter Implantatanteile kann den Knochenabbau verstärken.
Die vorhandene Evidenz erlaubt gegenwärtig keine schlüssigen Empfehlungen zum Einfluss weiterer potenziell beeinflussender Faktoren wie zum Beispiel klinische Erfahrung des Behandlers, chirurgische und anatomische Parameter wie die Weichgewebsdicke oder Vaskularisation, wiederholter Abutment-Wechsel, interproximale Knochenhöhe an Nachbarzähnen sowie prothetische Versorgungs- und Belastungsprotokolle [11].

» Klinische Empfehlungen

Um die periimplantäre Knochenremodellation zu minimieren, sollte der Kliniker eine subkrestale Positionierung maschinierter Implantatanteile, wenn immer möglich, vermeiden.
Wenn vorhanden, sollte die Rau-glatt-Grenze des Implantats bestmöglich mit dem angrenzenden krestalen Knochenniveau abschließen und somit die Insertionstiefe sowohl bei ein- als auch zweiteiligen Systemen vorgeben [11]. Dies kann insbesondere durch eine Nivellierung und Planierung unebener Kieferkämme im Zuge der Implantatbettaufbereitung erreicht werden.

Positionierung des Mikrospalts

» Zusammenfassende Ergebnisse

Die Metaanalyse von vier tierexperimentellen Studien ergab eine gewichtete mittlere Differenz (95 %-Konfidenzintervall) der CBL-Werte zwischen epi- und subkrestaler Insertion der Implantatschulter von — 0,479 mm und favorisierte eine subkrestale Position (p < 0,001; [14–18]). In diesem Zusammenhang ist allerdings die methodische Tatsache zu bedenken, dass die mittleren CBL-Werte lediglich die vertikale Distanz von der Implantatschulter zum krestalen Knochenniveau zum Ausdruck bringen. Unter Berücksichtigung der initialen Insertionstiefe war demnach der Nettoknochenverlust in der subkrestalen Insertionsgruppe am ausgeprägtesten (»Abb. 1; [11]).

» Konsensusstatements

Die subkrestale Positionierung des Mikrospalts der bewerteten zweiteiligen Implantatsysteme (mindestens 1 mm) kann zu einem ausgeprägteren Knochenabbau führen, wenn die Implantatschulter in einer epi- oder suprakrestalen Position inseriert wird.
Trotz einer Verstärkung der Remodellation kann ein subkrestales Insertionsprotokoll zu einer knöchernen Bedeckung der Implantatschulter beitragen [11].

» Klinische Empfehlungen

Das Ziel einer knöchernen Bedeckung der Implantatschulter kann am ehesten mit einem subkrestalen Insertionsprotokoll erreicht werden.
Unter Berücksichtigung des nachteiligen Einflusses maschinierter Implantatanteile auf die Knochenremodellation (s. oben) sollte ein subkrestales Insertionsprotokoll nur für vollständig (das heißt bis zur Implantatschulter) strukturierte zweiteilige Implantatsysteme in Erwägung gezogen werden [11].

Implantat-Abutment-Verbindung

» Zusammenfassende Ergebnisse

Unter Berücksichtigung der gegenwärtig vorhandenen Literatur konnte der Einfluss der Implantat-Abutment-Verbindung auf die krestale Knochenremodellation nicht bewertet werden [11].

» Konsensusstatements

Krestale Knochenresorptionen wurden sowohl an internen und externen sowie konischen und parallelwandigen Implantat-Abutment-Konfigurationen beobachtet.
Die gegenwärtig vorhandene Evidenz deutet darauf hin, dass ein „microbial leakage“ unabhängig vom Design der Implantat-Abutment-Verbindung auftreten kann [11].

» Klinische Empfehlungen

Um den potenziellen Einfluss von Mikrobewegungen und eines microbial leakage auf krestale Knochenresorptionen zu minimieren, sollte der Kliniker eine möglichst stabile Implantat-Abutment-Verbindung wählen [11].

Fazit für die Praxis

  • Die subkrestale Positionierung maschinierter Implantatanteile kann die krestale Knochenresorption verstärken und sollte, wenn immer möglich, vermieden werden.
  • Zweiteilige Implantatsysteme mit einer vollständig strukturierten Schulterpartie können in subkrestaler Position eingebracht werden. Trotz einer hiermit einhergehenden Verstärkung der Knochenresorption im Vergleich zu einer epi- oder suprakrestalen Positionierung kann eine knöcherne Bedeckung der Implantatschulter erreicht werden. Dies ist insbesondere für ästhetisch anspruchvolle Implantatlokalisationen von klinischer Relevanz.
  • Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann der Einfluss der Implantat-Abutment-Konfiguration auf den Erhalt des krestalen Knochenniveaus aufgrund mangelnder Evidenz nicht bewertet werden. Der Kliniker sollte dennoch eine möglichst stabile und dichte Implantat-Abutment-Verbindung wählen.

Open Access

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Metadaten
Titel
Minimierung der krestalen Knochenresorption
Einfluss von Implantat-Abutment-Verbindung und Positionierung der Implantatschulter
verfasst von
Prof. Dr. F. Schwarz
Publikationsdatum
03.06.2014
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Der Freie Zahnarzt / Ausgabe 6/2014
Print ISSN: 0340-1766
Elektronische ISSN: 2190-3824
DOI
https://doi.org/10.1007/s12614-014-1886-x

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