Erschienen in:
15.02.2024 | Affektive Störungen | Leitthema
Die Depression im Spannungsfeld der Geschlechterrollen
verfasst von:
PD Dr. Dr. Eva Friedel, Ingar Abels, Gina-Isabelle Henze, Stephanie Haering, Pichit Buspavanich, Turu Stadler
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 4/2024
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Verteilung von Depression und Suizidalität nach Geschlecht zeigt ein Geschlechterparadoxon: Frauen werden mindestens doppelt so häufig mit einer depressiven Störung diagnostiziert, weisen jedoch in den Studien eine niedrigere Suizidrate auf. Im Gegensatz dazu ist die Suizidrate bei Männern mindestens dreimal so hoch wie bei Frauen, während die Prävalenz der depressiven Störung bei ihnen nur halb so hoch ist. Obwohl diese Unterschiede schon lange bekannt sind, ergibt sich kein einheitliches Bild in den Erklärungsansätzen.
Ziel der Arbeit und Methode
Ziel des narrativen Übersichtsartikels ist es, mögliche Erklärungsmodelle bezüglich der Geschlechterunterschiede bei depressiven Erkrankungen zu diskutieren. Dabei werden Aspekte im Zusammenhang mit Stressverarbeitung und Traumatisierung betrachtet sowie soziologische und biologische Faktoren beleuchtet. Es werden Informationen zusammengefasst, welche im interdisziplinären Dialog als besonders relevant für mögliche Erklärungsmodelle der Geschlechterunterschiede bei depressiven Erkrankungen eingeschätzt wurden.
Ergebnisse
Die zusammengefassten Studien weisen darauf hin, dass Frauen und Männer sich zwar in bestimmten Aspekten der Stressverarbeitung und der Traumaexposition unterscheiden, das Krankheitsrisiko für Männer dadurch aber nicht geringer ist. Vielmehr scheint die Häufigkeit depressiver Erkrankungen bei Männern aufgrund einer untypischen Symptommanifestation unterschätzt zu werden.
Diskussion
Die Implementierung von Wissen über geschlechterspezifische Vulnerabilitäten in die Ausbildung von Mediziner*innen und Psychotherapeut*innen, die systematische Erfassung von Geschlecht jenseits binärer Klassifikationen im Zusammenhang mit weiteren Diversitätsdomänen in Forschung und Versorgung sowie geschlechter- und diversitätssensible Präventionsstrategien könnten zur Auflösung des Geschlechterparadoxons beitragen.