Skip to main content
Erschienen in: Ethik in der Medizin 4/2022

02.08.2022 | Originalarbeit

Aufgeschobene Entscheidung?

Eine Analyse der Moratoriumsforderungen in den Stellungnahmen zu Genome Editing am Menschen

verfasst von: Dominik Harrer, B.A. M.Phil., Ass.-Prof. Dr. Lukas Kaelin, Univ.-Prof. Dr. Michael Fuchs

Erschienen in: Ethik in der Medizin | Ausgabe 4/2022

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Zusammenfassung

Ein Topos in institutionellen Stellungnahmen zu „Genome Editing am Menschen“ ist die Forderung nach einem Moratorium. Dieses soll einerseits dazu dienen, zu einer angemessenen Risikoabklärung zu gelangen, und andererseits einer gesellschaftlichen und ethischen Diskussion hinreichend Raum zu geben, um zu entscheiden, ob die vom Moratorium betroffenen Eingriffe überhaupt grundsätzlich erwünscht sind. Dabei scheint das Moratorium eine kompromisshafte Lösung zu sein, auf die sich die Mitglieder in weltanschaulich pluralen Ethikgremien verständigen können. Die Analyse der zu Genome Editing in den Jahren 2015 bis 2018 verfassten Stellungnahmen zeigt jedoch ein deutlich komplexeres Bild: Was als konsensuale Kompromissformel erscheint, stellt sich als vielfach konflikthaftes Lösungsmodell dar. Umstritten ist in den unterschiedlichen Moratoriumsmodellen der Umfang (was alles ist vom Moratorium betroffen?), die Dauer (gibt es ein konkretes Datum, bis zu dem das Moratorium gilt?), der Zweck (dient es bloß der Risikoabschätzung oder auch der ethischen und/oder gesamtgesellschaftlichen Diskussion?) und die Frage, was für eine Maßnahme am Ende des Moratoriums getroffen werden soll. Zudem ist zwischen impliziten und expliziten Moratorien zu unterscheiden und zu untersuchen, was mit dem Moratoriumsvorschlag jeweils nicht verursacht werden soll (zum Beispiel die Grundlagenforschung einschränken). Am Ende der ethischen Analyse zeigt sich, dass mit klarer bestimmten Moratoriumsforderungen ein stärkeres Bewusstsein des Aufschub-Charakters dieser spezifischen Empfehlung einhergeht. So lässt sich auch das Ethos der Verantwortlichkeit – gegenüber jetzt Lebenden sowie künftigen Generationen – besser realisieren.
Literatur
Zurück zum Zitat Domdey H (1998) Moratorium. In: Korff W, Beck L, Mikat P (Hrsg) Lexikon der Bioethik, Bd. 2. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, S 712 Domdey H (1998) Moratorium. In: Korff W, Beck L, Mikat P (Hrsg) Lexikon der Bioethik, Bd. 2. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, S 712
Zurück zum Zitat Fletcher JC (1992) Die ethische Diskussion um die Gentherapie am Menschen, 2. Aufl. Medizinethische Materialien 49. Zentrum für Med. Ethik, Bochum Fletcher JC (1992) Die ethische Diskussion um die Gentherapie am Menschen, 2. Aufl. Medizinethische Materialien 49. Zentrum für Med. Ethik, Bochum
Zurück zum Zitat Fuchs M (2006) Widerstreit und Kompromiß. Wege des Umgangs mit moralischem Dissens in bioethischen Beratungsgremien und Foren der Urteilsbildung. Institut für Wissenschaft und Ethik, Bonn Fuchs M (2006) Widerstreit und Kompromiß. Wege des Umgangs mit moralischem Dissens in bioethischen Beratungsgremien und Foren der Urteilsbildung. Institut für Wissenschaft und Ethik, Bonn
Zurück zum Zitat Habermas J (1992) Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Suhrkamp, Frankfurt a.M. Habermas J (1992) Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Suhrkamp, Frankfurt a.M.
Zurück zum Zitat Habermas J (2001) Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik. Suhrkamp, Frankfurt a.M. Habermas J (2001) Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik. Suhrkamp, Frankfurt a.M.
Zurück zum Zitat Jonas H (1979) Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp, Frankfurt a.M. Jonas H (1979) Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp, Frankfurt a.M.
Zurück zum Zitat Jonas H (1985) Technik, Medizin und Ethik. Praxis des Prinzips Verantwortung. Suhrkamp, Frankfurt a.M. Jonas H (1985) Technik, Medizin und Ethik. Praxis des Prinzips Verantwortung. Suhrkamp, Frankfurt a.M.
Zurück zum Zitat Mouffe C (2013) Das demokratische Paradox. Turia + Kant, Wien Mouffe C (2013) Das demokratische Paradox. Turia + Kant, Wien
Zurück zum Zitat National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (NASEM) (2019) Second international summit on human genome editing: continuing the global discussion: proceedings of a workshop in brief. The National Academies Press, Washington, DC. https://doi.org/10.17226/25343CrossRef National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (NASEM) (2019) Second international summit on human genome editing: continuing the global discussion: proceedings of a workshop in brief. The National Academies Press, Washington, DC. https://​doi.​org/​10.​17226/​25343CrossRef
Zurück zum Zitat Walters L, Palmer JG (1997) The ethics of human gene therapy. Oxford University Press, New York Walters L, Palmer JG (1997) The ethics of human gene therapy. Oxford University Press, New York
Metadaten
Titel
Aufgeschobene Entscheidung?
Eine Analyse der Moratoriumsforderungen in den Stellungnahmen zu Genome Editing am Menschen
verfasst von
Dominik Harrer, B.A. M.Phil.
Ass.-Prof. Dr. Lukas Kaelin
Univ.-Prof. Dr. Michael Fuchs
Publikationsdatum
02.08.2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Ethik in der Medizin / Ausgabe 4/2022
Print ISSN: 0935-7335
Elektronische ISSN: 1437-1618
DOI
https://doi.org/10.1007/s00481-022-00713-x

Weitere Artikel der Ausgabe 4/2022

Ethik in der Medizin 4/2022 Zur Ausgabe

Alter der Mutter beeinflusst Risiko für kongenitale Anomalie

28.05.2024 Kinder- und Jugendgynäkologie Nachrichten

Welchen Einfluss das Alter ihrer Mutter auf das Risiko hat, dass Kinder mit nicht chromosomal bedingter Malformation zur Welt kommen, hat eine ungarische Studie untersucht. Sie zeigt: Nicht nur fortgeschrittenes Alter ist riskant.

Fehlerkultur in der Medizin – Offenheit zählt!

28.05.2024 Fehlerkultur Podcast

Darüber reden und aus Fehlern lernen, sollte das Motto in der Medizin lauten. Und zwar nicht nur im Sinne der Patientensicherheit. Eine negative Fehlerkultur kann auch die Behandelnden ernsthaft krank machen, warnt Prof. Dr. Reinhard Strametz. Ein Plädoyer und ein Leitfaden für den offenen Umgang mit kritischen Ereignissen in Medizin und Pflege.

Mammakarzinom: Brustdichte beeinflusst rezidivfreies Überleben

26.05.2024 Mammakarzinom Nachrichten

Frauen, die zum Zeitpunkt der Brustkrebsdiagnose eine hohe mammografische Brustdichte aufweisen, haben ein erhöhtes Risiko für ein baldiges Rezidiv, legen neue Daten nahe.

Mehr Lebenszeit mit Abemaciclib bei fortgeschrittenem Brustkrebs?

24.05.2024 Mammakarzinom Nachrichten

In der MONARCHE-3-Studie lebten Frauen mit fortgeschrittenem Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs länger, wenn sie zusätzlich zu einem nicht steroidalen Aromatasehemmer mit Abemaciclib behandelt wurden; allerdings verfehlte der numerische Zugewinn die statistische Signifikanz.

Update Gynäkologie

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert – ganz bequem per eMail.