Zusammenfassung
Frühkindliche Bindungsstörungen umfassen zwei getrennte Störungsbilder: die „reaktive Bindungsstörung im Kindesalter“ und die „Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung“, die neu in der ICD-11 als „Störung enthemmter sozialer Beziehungsaufnahme“ definiert ist. Damit lässt sich das Störungsbild nicht mehr wie bisher ausschließlich auf Störungen in der Bindungsbeziehung zurückführen, sondern es kann bei fehlender oder bei abweichender Bindung ebenso wie in positiven Bindungsbeziehungen auftreten. Bindungsstörungen gehen mit schwerer Vernachlässigung und Misshandlung bzw. extrem unzureichender Fürsorge einher und in deren Folge mit Beeinträchtigungen vieler psychosozialer Funktionen. Für die Therapie von Bindungsstörungen gibt es bisher kein umfassend standardisiertes und hinreichend erfolgreiches Vorgehen. Unbestritten ist jedoch, dass die (Re-)Etablierung einer emotional verlässlichen und stabilen Bindungsbeziehung in jeder Therapie unabdingbar ist. In diesem Zusammenhang haben sich bindungsbasierte und videogestützte Programme zur Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen bewährt, die zwingend von verbindlicher interdisziplinärer Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe flankiert werden müssen.