Frühe Diagnostik und leitliniengerechte Risikosenkung

Bei Vorliegen eines Typ-2-Diabetes sollte auch an den Schutz von Herz und Nieren gedacht werden. Werden Patientinnen und Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem und renalem Risiko durch Albuminurie früh identifiziert, kann anschließend risikosenkend therapiert werden. Neben der bewährten sekundärpräventiven Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) gibt es mittlerweile medikamentöse Therapien, die kardiovaskuläre Ereignisse bei Typ-2-Diabetes mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) reduzieren und die Progression der CKD verlangsamen können. Der nichtsteroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonist (nsMRA) Finerenon hat eine starke Empfehlung in mehreren Leitlinien erhalten. Er wirkt u. a. auf entzündliche Prozesse und Fibrose und schließt damit eine therapeutische Lücke. Springer Medizin Verlag GmbH × Typ-2-Diabetes mellitus wird als Volkskrankheit angesehen. Hierzulande verzeichnet die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) 8,5 Millionen Menschen mit bekanntem Typ-2-Diabetes und rechnet mit weiteren zwei Millionen Menschen, deren Erkrankung noch nicht diagnostiziert wurde [1]. Typ-2-Diabetes ist nicht nur durch die erhöhte Glukosekonzentration im Blut gekennzeichnet, die eine Einstellung erfordert. Es sind vor allem zahlreiche Folgeerkrankungen bekannt. Kardiovaskuläre Erkrankungen und Ereignisse wie die koronare Herzerkrankung, der Myokardinfarkt und der ischämische Schlaganfall sind zusammen mit der CKD an erster Stelle zu nennen [2]. Es seien nicht zuletzt kardiovaskuläre Ereignisse, die für die hohe Sterblichkeit von Menschen mit Typ-2-Diabetes verantwortlich sind, sagte Dr. Petra Sandow, Allgemeinmedizinerin in Berlin. Gefährlich werde es insbesondere dann, wenn bereits eine CKD vorliege. In dieser Konstellation sei die Überlebenswahrscheinlichkeit im Vergleich zur Normalbevölkerung deutlich reduziert. Sie liege in etwa zwischen jener bei metastasierten und jener bei nichtmetastasierten Tumorerkrankungen [3]. Frühe Albumin-Urindiagnostik Das kardiovaskuläre Risiko steige nicht erst dann, wenn die eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) einen Abfall der Nierenfunktion signalisiere, betonte Sandow. Vielmehr sei es schon in den CKD-Stadien 1 und 2, also in den CKD-Stadien, die sich in erster Linie durch eine Albuminurie bemerkbar machen, etwa zehnmal so hoch wie bei Menschen ohne CKD [4]. Das kardiovaskuläre Risiko sei in diesen frühen CKD-Stadien auch wesentlich höher als das Risiko eines Nierenversagens, so Sandow. Erst in weit fortgeschrittenen CKD-Stadien kehren sich die Risikoverhältnisse um. „Die Albuminurie ist der früheste kardiovaskuläre Risikomarker, den wir kennen“, betonte auch der Nephrologe Prof. Dr. Markus van der Giet, Berlin. Die hohe Bedeutung der frühen Nierenerkrankung für die kardiovaskuläre und renale Prognose impliziert, dass sie so bald wie möglich erkannt werden sollte. Die Messung der Albuminurie sei dafür unverzichtbar, so Sandow, werde jedoch insbesondere in hausärztlichen Praxen noch längst nicht konsequent umgesetzt: „Die Albuminurie wird oft erst dann gemessen, wenn die eGFR schon deutlich reduziert ist. Das macht aber wenig Sinn.“ In der Tat zeigen u. a. deutsche Daten aus der DEGS1-Studie des Robert Koch-Instituts, dass die Albuminurie insbesondere in jüngeren Jahren regelmäßig der einzige Hinweis auf eine CKD ist. Auch im siebten und achten Lebensjahrzehnt weist mehr als die Hälfte der CKD-Patientinnen und -Patienten keine eGFR <60 ml/min [5] mehr auf. „Wir müssen von Beginn an beides machen“, schlussfolgerte Sandow. Bedeutung der Albuminmessung in Leitlinien betont Die frühe Albuminbestimmung im Urin (Kasten) in Ergänzung zur eGFR-Messung ist bei Typ-2-Diabetes sowohl Expertenkonsens als auch Leitlinienstandard. So wird in Deutschland sowohl in der Nationalen VersorgungsLeitlinie [6] als auch in den Praxisempfehlungen der DDG [7] betont, dass ab Diagnose mindestens einmal jährlich ein Screening auf Albuminurie erfolgen sollte. Praxis-Tipp 1: Albuminbestimmung erfolgreich umsetzen tomshoumakers / stock.adobe.com × Gemäß internationalem Konsens, beispielsweise den KDIGO-Empfehlungen [8], ist eine CKD durch Struktur- oder Funktionsveränderungen der Nieren gekennzeichnet, die länger als drei Monate bestehen. Die klinische Diagnose stützt sich dabei auf eine eGFR <60 ml/min/1,73 m² und/oder Albuminurie [8, 20, 21]. In Screening-Untersuchungen auf CKD sollten daher beide Parameter bestimmt werden, da andernfalls teilweise mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten übersehen wird [5]. Goldstandard für den Nachweis der Albuminurie ist die UACR (Urin-Albumin-Kreatinin-Verhältnis)-Bestimmung [8]. Ein 24-Stunden-Sammelurin ist dafür nicht nötig. Die UACR-Messung hat mittlerweile auch Eingang in das Disease-Management-Programm (DMP) Typ-2-Diabetes gehalten [22]. Proben gewinnen Am besten eignet sich spontaner Morgenurin; Kontaminationen sollten vermieden werden. Es empfiehlt sich ein sauberes, trockenes und verschließbares Plastikgefäß. Schlecht eingestellter Blutzucker, körperliche Anstrengung, Harnwegsinfektionen, eine Herzinsuffizienz, eine schlecht eingestellte Hypertonie sowie Menstruation, Hämaturie oder Spermaturie können zu falsch erhöhten Werten führen. Aufbereiten Wenn die Untersuchung nach Entnahme innerhalb von zwei Stunden erfolgt, ist keine Kühlung nötig. Vor der Messung ist der Urin zu durchmischen. Es sollte zudem auf eine saubere Arbeitsfläche geachtet und es sollten Handschuhe verwendet werden. Liegen zwischen Entnahme und Untersuchung mehr als zwei Stunden, ist die Probe sofort zu kühlen. Sie muss vor der Analyse wieder auf Raumtemperatur gebracht und durchmischt werden. Untersuchen Es bietet sich ein allgemeines Vorscreening mit herkömmlichen Streifentests an. Lassen sich hiermit maximal drei Parameter bestimmen, können sie im Rahmen des Sprechstundenbedarfs bezogen werden. Streifentests mit mehr als drei Parametern werden über den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet. Das Albuminurie-/Mikroalbuminurie-Screening kann mit immunologischen Teststreifen erfolgen, die jedoch kein Kreatinin bestimmen. Die Alternative sind sogenannte Doppelteststreifen, mit denen sich Albumin und Kreatinin visuell bestimmen lassen und eine UACR semiquantitativ berechnet wird. Für beide Testvarianten kann die EBM-Ziffer 32135 geltend gemacht werden. Komfortabel und mit minimalem Urinkontakt verbunden ist die quantitative UACR-Bestimmung im Labor, die eine Labormessung von Kreatinin und Albumin im Urin erfordert. Dazu werden 6–7 ml Urin aus dem Urinbecher per Vacutainer abgezogen und ins Labor geschickt. Vorher sollte unbedingt gut durchmischt werden. Für die Kreatininmessung im Urin steht die EBM-Ziffer 3206 (enzymatisch) bzw. 32066 (Jaffé) zur Verfügung, für die Albuminmessung 32435. Bei manifestem Diabetes kann die Laborbefreiungsziffer 32022 genutzt werden, mit der Serumkreatinin, eGFR und Mikroalbuminurie aus dem Laborbudget herausgerechnet werden. Nur Urin-Kreatinin ist davon ausgenommen; die Kosten hierfür liegen in der Größenordnung der Bestimmung eines HbA1c-Werts. Die genaue Frequenz der Messung sollte hierbei vom Schweregrad der Nierenerkrankung abhängig gemacht werden. Anschaulich zeigt dies die bereits vor zehn Jahren erarbeitete Heatmap der internationalen KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes)-Gruppe, die das kardiorenale Risiko in Abhängigkeit von Albuminurie und eGFR-Reduktion anzeigt. Die Heatmap findet sich nicht nur in den aktuellen KDIGO-Empfehlungen [8], sondern auch in den Empfehlungen der American Diabetes Association (ADA) [9], in der gemeinsamen Leitlinie der europäischen Fachgesellschaften für Kardiologie (ESC) und für Diabetes (EASD) [10] und in vielen weiteren Publikationen (Abb. 1) [11, 12]. Dr. Jörg Simon, Fulda, sprach sich dafür aus, die Leitlinienempfehlungen weiter bekannt zu machen, etwa durch interdisziplinäre Fortbildungen. Abb. 1: Empfohlene Messfrequenz von geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR) und Urin-Albumin-Kreatinin-Verhältnis (UACR) sowie Therapieindikation (modifiziert nach [9, 11, 12]) Springer Medizin Verlag GmbH × Senkung der Albuminurie verbessert die Prognose Wichtig ist Sandow zufolge, dass die Albuminurie kein rein prognostischer Marker ist. Sie müsse vielmehr als ein modifizierbarer Risikofaktor betrachtet werden. Auch das hat Eingang in Diabetes-Leitlinien gefunden: So betont die ADA mit Evidenzlevel B, dass eine mindestens 30-prozentige Reduktion einer Albuminurie ≥300 mg/g das Fortschreiten einer CKD verlangsamt [9]. Van der Giet betonte: „Wenn wir die Albuminurie reduzieren, denken wir dabei nicht nur an das Fortschreiten der Niereninsuffizienz, sondern vor allem auch an eine Senkung der kardiovaskulären Mortalität.“ Van der Giet ging näher darauf ein, wie sich das Risiko senken lässt. Bisher sei das erhöhte kardiorenale Risiko bei Typ-2-Diabetes mit CKD zum einen hämodynamisch adressiert worden, insbesondere durch die schon lange empfohlene RAS-Hemmung. Zum anderen werde versucht, das Risiko durch eine möglichst konsequente Kontrolle des Blutzuckers metabolisch zu reduzieren. Aus Studien mit SGLT2 (sodium-dependent glucose co-transporter 2)-Inhibitoren sei jedoch bekannt, dass auch dann, wenn diese beiden Wege ausgereizt sind, noch ein sehr relevantes Restrisiko bestehen bleibe [13, 14]. Dies hänge u. a. damit zusammen, dass ein dritter Pathomechanismus für CKD-Progression und kardiovaskuläre Ereignisse, nämlich Entzündung und Fibrose im Bereich der Niere, durch bisherige Therapien nicht adäquat gehemmt werde. Finerenon hemmt Gewebeumbau und senkt Albuminurie Der nsMRA Finerenon (Kerendia®) [15] reduziert die für die CKD typische Überaktivierung des Mineralokortikoidrezeptors (MR). Diese Überaktivierung habe einerseits hämodynamische Folgen, so van der Giet. Sie unterhalte aber auch jene inflammatorischen und fibrotischen Prozesse, die von bisherigen sekundärprotektiven Therapien nicht spezifisch adressiert werden. Entsprechend führt die Blockade des MR durch Finerenon zu einer Hemmung von Entzündung und Fibrose und damit zum Schutz von Herz-Kreislauf-System und Niere [16–19]. In geringerem Umfang tragen auch hämodynamische Effekte zu diesem Schutz bei (Abb. 2). Abb. 2: Wirkmechanismus des nichtsteroidalen, hochselektiven MR-Antagonisten Finerenon: Die MR-Überaktivierung wird blockiert, was insbesondere Inflammation und Fibrose hemmt (modifiziert nach [16–18]) Springer Medizin Verlag GmbH × Der Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen und vor CKD-Progression bei Typ-2-Diabetes mit CKD wurde für Finerenon in mehreren großen randomisierten Studien belegt. Weitere randomisierte Studien werden derzeit durchgeführt, in denen sowohl neue Indikationen wie die Herzinsuffizienz als auch sekundärprotektive Medikamentenkombinationen gezielt untersucht werden. Die beiden maßgeblichen Studien für die Sekundärprotektion bei Typ-2-Diabetes mit CKD waren die Studie FIDELIO-DKD [23] mit einem primären renalen und die Studie FIGARO-DKD [24] mit einem primären kardiovaskulären Endpunkt. Beide Studien haben ein sehr ähnliches Studiendesign und wurden unter dem Namen FIDELITY [19] gemeinsam ausgewertet. FIDELITY ist eine präspezifizierte Analyse, die insgesamt 13.171 Patientinnen und Patienten umfasst. Diese Studienpopulation deckt ein sehr breites Risikospektrum der CKD mit Albuminurie ab. Dem Wirkmechanismus von Finerenon entsprechend war die Wirkung auf die Albuminurie ein zentraler Endpunkt der FIDELITY-Analyse. Es zeigt sich eine frühe Reduktion um etwa ein Drittel nach vier Monaten, mit einer im Vergleich zu Placebo konstanten Differenz über einen Zeitraum von insgesamt 48 Monaten (Abb. 3) [19]. „Diese Absenkung erreichen wir zusätzlich zu einer optimalen RAS-Hemmung“, so van der Giet. Sie sei wesentlich höher als durch den moderaten blutdrucksenkenden Effekt von Finerenon – im Vergleich zu Placebo ein Minus von 3,0 mmHg nach zwölf Monaten – erklärt werden könne. Abb. 3: Reduktion der UACR durch Finerenon versus Placebo im Zeitverlauf (modifiziert nach [19]) Springer Medizin Verlag GmbH × Kardiovaskuläre Ereignisse und renale Ereignisse reduziert Hinsichtlich der primären klinischen Endpunkte wurden mit Finerenon in beiden Einzelstudien und der gepoolten Analyse im Vergleich zu Placebo jeweils signifikante Risikoreduktionen erreicht. Der kombinierte Nierenendpunkt – Zeit bis zum Eintreten von Nierenversagen, anhaltender eGFR-Abnahme ≥57% gegenüber Baseline oder renal bedingter Tod – wurde um 23% reduziert (7,1% unter Placebo versus 5,5% unter Finerenon; Hazard Ratio [HR] 0,77; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,67–0,88; p=0,002) [19]. Der Vorteil unter Finerenon gelte für alle Teilkomponenten des kombinierten Endpunkts, betonte van der Giet. Prof. Dr. Nikolaus Marx, Aachen, ging ausführlich auf die Daten zur kardiovaskulären Risikoreduktion ein: „Wir müssen uns klar machen, dass wir bei Finerenon nicht nur über Dialyse reden, sondern über kardiovaskuläre Endpunkte. Dadurch wird diese Therapie zu einem Thema von interdisziplinärer Relevanz.“ Der kardiovaskuläre Endpunkt der FIDELITY-Analyse war die Kombination aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Herzinfarkt oder Schlaganfall oder Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz. Es ergab sich zusätzlich zu einer optimierten RAS-Blockade eine Risikoreduktion um 14% (HR 0,86; 95%-KI 0,78–0,95; p=0,018; Abb. 4) [19], begründet insbesondere durch eine Reduktion der Klinikeinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz. „Daraus errechnet sich über drei Jahre eine Number needed to treat von 46, was eine sehr gute Zahl ist“, so Marx. Abb. 4: Kombinierter kardiovaskulärer Endpunkt der FIDELITY-Analyse: Zeit bis zum kardiovaskulären Tod, einem nicht tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall oder Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz (modifiziert nach [19]) Springer Medizin Verlag GmbH × Aufgrund des Zeitpunkts, zu dem die Studie durchgeführt wurde, hatten immerhin knapp 900 Studienteilnehmende zusätzlich zur RAS-Hemmung einen SGLT2-Inhibitor eingenommen. Auch in dieser Subgruppe zeigte sich in Bezug auf den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt eine Risikoreduktion um 33% (HR 0,67; 95%-KI 0,42–1,07) und Hinweise auf einen synergistischen Effekt [25]. In den On-Treatment-Daten der FIDELITY-Analyse war zudem die Gesamtmortalität unter Finerenon-Therapie um 18 % geringer als in der Placebo-Gruppea (HR 0,82; 95%-KI 0,70–0,96; p=0,014) [26]. Die FIDELITY-Auswertung zeigt auch das gute Verträglichkeitsprofil von Finerenon. Schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) waren nicht häufiger als unter Placebo, ebenso Studienabbrüche aufgrund schwerer UAW. Insbesondere fand sich auch keine erhöhte Inzidenz von Spironolacton-typischen UAW, wie etwa Gynäkomastie. Die Inzidenz jeglicher Hyperkaliämien war mit 14% versus 6,9% erhöht, allerdings war nur bei 1,7% (Placebo: 0,6%) der Patientinnen und Patienten ein dauerhafter Therapieabbruch aufgrund von Hyperkaliämie notwendig [19]. Starke Leitlinienempfehlung mehrerer Fachgesellschaften Die Ergebnisse der FIDELIO-DKD- und FIGARO-DKD-Studien bzw. der FIDELITY-Auswertung haben Eingang in die Leitlinien unterschiedlicher Fachgesellschaften gefunden. Eine Übersicht für die kardiovaskuläre und renale Prävention bei Typ-2-Diabetes gibt die 2023 neu vorgelegte ESC-Leitlinie zum Management kardiovaskulärer Erkrankungen bei Diabetes (Abb. 5) [27]. In Ergänzung zu einer Basistherapie mit Statin und RAS-Inhibitor wird ein Dreisäulenmodell aus SGLT2-Hemmung, Blutdruckkontrolle und – bei einer eGFR >60 ml/min/1,73 m2 mit einer UACR ≥30 mg/mmol (≥300 mg/g) oder eGFR 25–60 ml/min/1,73 m2 und UACR ≥3 mg/mmol (≥30 mg/g) – Finerenon empfohlen, wobei jede der insgesamt fünf Einzelmaßnamen von der ESC eine 1A-Empfehlung erhält. Abb. 5: Überblick über die Empfehlungen der ESC-Leitlinie „Management von kardiovaskulären Erkrankungen bei Diabetes“ zur Senkung des kardiorenalen Risikos bei T2D und CKD (modifiziert nach [27]) Springer Medizin Verlag GmbH × Eine zweite ESC-Leitlinie, in der Finerenon genannt wird, ist das Focused Update 2023 der Leitlinie zur Diagnose und Therapie der akuten und chronischen Herzinsuffizienz [28]. Hierin werde Finerenon zur Prävention von Herzinsuffizienz bei Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD ebenfalls mit 1A-Empfehlung erwähnt, so Marx. Hintergrund ist, dass die Reduktion der Klinikeinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz ein wesentlicher Treiber der Reduktion des kardiovaskulären Komposit-Endpunkts in der FIGARO-DKD-Studie bzw. der FIDELITY-Analyse war. Dies, so Marx, sei insbesondere deswegen interessant, weil Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) an der FIGARO-DKD-Studie gar nicht teilnehmen konnten. Es handelt sich demnach am ehesten um neu diagnostizierte Herzinsuffizienz, was auch eine präspezifizierte Subgruppenanalyse von FIGARO-DKD bestätigt hat [29]. Neben der kardiologischen ESC-Leitlinie wird Finerenon vielfach auch in nephrologischen und diabetologischen Leitlinien berücksichtigt. In den gemeinsamen Empfehlungen von KDIGO und ADA [12] wird Finerenon, neben RAS- und SGLT2-Inhibition, als eigene Säule eines multifaktoriellen Ansatzes zur Reduktion des kardiorenalen Risikos bei CKD und Typ-2-Diabetes aufgeführt. In ihrer aktualisierten Diabetes-Leitlinie empfiehlt die ADA explizit für Typ-2-Diabetes-Patientinnen und -Patienten mit CKD und Albuminurie und einer eGFR ≥25 ml/min/1,73 m2 und CKD-Progression den Einsatz von Finerenon zur Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse und CKD-Progression [30]. Auch in den Praxisempfehlungen der DDG werden die nephro- und kardioprotektive Effekte von Finerenon bei CKD mit Typ-2-Diabetes und Albuminurie ab Stadium A2 betont [7]. Patientinnen und Patienten profitieren von frühem Therapiebeginn Ausführlich diskutiert wurde von den Expertinnen und Experten die Frage des optimalen Therapiebeginns. Die Ergebnisse der randomisierten Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD hätten gezeigt, dass Finerenon bei Typ-2-Diabetes mit CKD nicht nur die Progression der Nierenerkrankung verlangsamen, sondern auch sehr effektiv kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren kann, so Marx. Für eine optimale Sekundärprotektion sollten die zur Verfügung stehenden Therapien daher möglichst früh gegeben werden. Was damit erreicht werden könnte, zeigt eine aktuelle Modellierung des Nutzens einer Kombination aus SGLT2-Inhibitor, GLP-1-RA (glucagon-like peptide‑1 agonists) und Finerenon bei Typ-2-Diabetes mit CKD. Es ergab sich eine errechnete Risikoreduktion für schwere kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zur Standardtherapie um 35%. Ein initial 50-jähriger Patient beispielsweise gewinne dadurch mehr als drei Jahre ohne kardiovaskuläre Ereignisse [31]. Ausblick Nicht zuletzt mit Blick auf die kardiovaskulären Effekte von Finerenon und auch mit Blick auf Kombinationstherapien werden derzeit weitere randomisierte Studien im Rahmen des sehr umfangreichen Finerenon-Studienprogramms durchgeführt. Aus der CONFIDENCE-Studie in der Indikation CKD mit Typ-2-Diabetes werden weitere Daten zur Kombination von Finerenon mit SGLT2-Inhibitoren erwartet. Verglichen wird in einem dreiarmigen Studiendesign die Kombination mit den jeweiligen Monotherapien. In der FINEARTS-HF-Studie, einer großen, randomisierten Langzeitstudie, wird Finerenon in der Indikation symptomatische chronische Herzinsuffizienz mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion ≥40% untersucht. Im Hinblick auf die CKD konzentriert sich die FIONA-CKD-Studie auf Kinder mit CKD und Proteinurie und die FIND-CKD-Studie auf die nichtdiabetische CKD. FINE-ONE schließlich ist eine Phase-III-Studie bei Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes und CKD. Praxis-Tipp 2: Finerenon im Alltag: Initiieren – Aufdosieren – Kontrollieren Finerenon wird einmal täglich oral eingenommen. Es ist mit den üblichen blutzuckersenkenden und den meisten blutdrucksenkenden Medikamenten gut kombinierbar, sollte aber nicht zusammen mit kaliumsparenden Diuretika angewandt werden. Das Dosierungsschema und das nötige Kaliummanagement sind in der Fachinformation beschrieben (Abb. 6) [15]. Die Therapie kann bei einem Seriumkaliumwert ≤4,8 mmol/l begonnen werden und bei einem Serumkaliumwert >4,8–5,0 mmol/l unter zusätzlicher Überwachung des Serumkaliumwerts während der ersten vier Therapiewochen auf Basis der Patientencharakteristika erwogen werden [15]. Abb. 6: Dosierungsschema von Finerenon (modifiziert nach [15]) Springer Medizin Verlag GmbH × Startdosis, eGFR und Therapieunterbrechungen Die Startdosis beträgt 20 mg täglich oral bei einer eGFR ≥60 ml/min/1,73 m² und einem Serumkaliumwert ≤5 mmol/l. Vier Wochen nach Therapiebeginn sollten Serumkaliumwert und eGFR kontrolliert werden. Die Behandlung wird fortgeführt bei einem Serumkaliumwert ≤5,5 mmol/l. Bei >5,5 mmol/l wird die Behandlung unterbrochen, bis die Serumkaliumkonzentration ≤5,0 mmol/l beträgt. Dann wird mit einer Dosis von 10 mg einmal täglich wieder eingesetzt. Bei einer eGFR 4,8–5,5 mmol/l bleibt es bei der 10-mg-Dosis. Oberhalb von 5,5 mmol/l wird die Therapie wie beschrieben unterbrochen [15]. Kaliummanagement im Alltag Auf die Umsetzung der Finerenon-Therapie im Praxisalltag und hier insbesondere auf das Kaliummanagement ging der Diabetologe Dr. Jörg Simon, Fulda, ein. Neben der Einhaltung der Grenzwerte in der Fachinformation [15] sei es besonders wichtig, Besonderheiten bei der Blutentnahme und im Umgang mit dem Serum im Zusammenhang mit Kaliumkontrollen zu kennen. Hierbei gelte es für möglichst korrekte Werte einige Fallstricke zu vermeiden (Abb. 7) [32, 33]. Abb. 7: Für die Bestimmung zuverlässiger Kaliumwerte sind bei der Blutentnahme und im Umgang mit dem Serum einige Faktoren zu beachten (modifiziert nach [32, 33]) Springer Medizin Verlag GmbH × Es empfehle sich, nicht nur das eigene Praxispersonal in speziellen Schulungen, sondern auch die Patientin bzw. den Patienten einzubeziehen, damit diese(r) mit darauf achten kann, dass die Blutentnahme auf Kalium korrekt verläuft. Richtig umgesetzt sei der Anteil der Patientinnen und Patienten, die aufgrund des Kaliumwerts kein Finerenon erhalten könnten, seiner Erfahrung nach niedrig, so Simon. Bisher habe er keine behandlungsbedürftige Hyperkaliämie im Zusammenhang mit dem Präparat beobachtet. Nach der Einstellungsphase empfahl Simon Kaliumkontrollen alle drei Monate. Dr. Petra Sandow Dr. Petra Sandow × Prof. Dr. Nikolaus Marx Joerg Eicker × Dr. Jörg Simon Dr. Jörg Simon × Prof. Dr. Markus van der Giet Guido Werner, Weimar × Bei jedem neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes sollte von Beginn an sowohl die eGFR als auch die UACR bestimmt werden. Wir erleben bei sehr vielen unserer Patientinnen und Patienten, dass die Albuminausscheidung deutlich vor einer eGFR-Veränderung auftritt.“ Patienten mit Typ-2-Diabetes und CKD haben ein massiv erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. In der Studie FIGARO-DKD hat Finerenon den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt oder Schlaganfall und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz signifikant reduziert. Entscheidend getrieben war das durch eine sehr stringente Reduktion der Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen.“ Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patientinnen und Patienten erreichen wir durch Finerenon eine Reduktion der UACR und damit des kardiovaskulären Risikos. Die UACR-Bestimmung muss in die Arztpraxen Einzug halten, entweder mit Doppelteststreifen oder als Laborbestimmung. Auch die Mitarbeiter müssen informiert werden, wie groß die Bedeutung der UACR ist, damit die Akzeptanz der Urindiagnostik steigt.“ Finerenon kann Entzündung und Fibrose gezielt blockieren, das konnte bisher keine andere medikamentöse Strategie. Es gilt das Prinzip: je früher, desto besser. Wir sollten bei gegebener Indikation möglichst zeitnah behandeln und, sofern toleriert, eine maximale Therapie innerhalb von drei Monaten erreichen.“ Literatur Tönnies T, Rathmann W, Epidemiologie des Diabetes in Deutschland. In: Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Diabetes Hilfe. 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Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022 Tonelli M et al., JAMA Network Open 2022, 5:e2144713 de Jong PE, Gansevoort RT, Nephron Clin Pract 2009, 111:c204–c211 Girndt M et al., Dtsch Ärztebl Int 2016, 113:86–91 NVL Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter, Version 6, Sep 2010, zuletzt geändert Sep 2015, AWMF-Registernr. nvl/001d Merker L et al., Diabetol Stoffwechs 2023, 18 (Suppl 2):342–347 KDIGO Diabetes Working Group, Kidney Int 2022, 102 (5S):1–127 American Diabetes Association, Diabetes Care 2022, 45(Suppl 1):S175 European Society of Cardiology, Eur Heart J 2020, 41:255–323 Vassalotti JA et al., Am J Med 2016, 129:153–162.e7 de Boer IH, Diabetes Care 2022, 45:3075–3090 Heerspink HJL et al., N Engl J Med 2020, 383:1436–1446 Wheeler DC et al., Lancet Diabetes Endocrinol 2021, 9:22–31 Fachinformation Kerendia® 10 mg/20 mg Filmtabletten, Stand: Februar 2023 Fujita T, Hypertension 2010, 55:813–818 Bauersachs J et al., Hypertension 2015, 65:257–263 Barrera-Chimal J et al., Kidney Int 2019, 96:302–319 Agarwal R et al., Eur Heart J 2022, 43:474–484 Levey AS et al., JAMA 2015, 313:837–846 American Diabetes Association, Diabetes Care 2023, 46:191–202 www.g-ba.de/richtlinien/83 (letzter Zugriff: 02.03.2024) Bakris GB et al., N Engl J Med 2020, 383:2219–2229 Pitt B et al., N Engl J Med 2021, 385:2252–2263 Rossing P et al., Diabetes Care 2022, 45:2991–2998 Filippatos G et al., Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother 2023, 9:193–191 Marx N et al., Eur Heart J 2023, 44:4043–4140 McDonagh TA et al., Eur Heart J 2023, 44:3627–3639 Filippatos G et al., Circulation 2022, 145:437–447 American Diabetes Association Professional Practice Committee, Diabetes Care 2024, 47 (Suppl 1):S1–S314 Neuen BL et al., Circulation 2024, 149:450–462 Clase CM et al., Kidney Int 2020, 97:42–61 Asirvatham JR et al., N Am J Med Sci 2013, 5:255–259 Impressum „Finerenon – eine innovative Therapieoption zum Schutz von Herz & Nieren“, Springer Medizin Expertenworkshop, 28. Februar 2024, virtuell Bericht: Philipp Grätzel von Grätz, Berlin Artikel als Beilage in „CARDIOVASC“ 3/2024, „Die Diabetologie“ 3/2024, „Die Innere Medizin“ 5/2024 und „Die Nephrologie“ 3/2024 Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Anne Kathrin Steeb Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Kardiorenaler Schutz bei Typ-2-Diabetes mit chronischer Nierenerkrankung - Frühe Diagnostik und leitliniengerechte Risikosenkung

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