Die Thromboembolieprophylaxe bei COVID-19 ist nicht mehr auf den stationären Bereich beschränkt. Es gibt auch eine Kann-Empfehlung für bestimmte ambulante Patienten.
Thromboembolische Ereignisse, überwiegend im venösen Gefäßsystem, sind eine häufige Komplikation von COVID-19. Ein besonders hohes Risiko dafür besteht bei hospitalisierten Patienten und Patientinnen.
In Leitlinien wurde deswegen frühzeitig festgelegt, dass sie routinemäßig eine Thromboseprophylaxe erhalten sollen. Inzwischen sind die Empfehlungen noch weitreichender: So kann eine prophylaktische Antikoagulation unter bestimmten Voraussetzungen auch im ambulanten Bereich erfolgen, und stationär kann unter Umständen eine therapeutische Dosierung gewählt werden.
Ambulante VTE-Prophylaxe
Für eine routinemäßige ambulante VTE-Prophylaxe gibt es bislang keine ausreichende Evidenz. Sie bietet gegenüber einer Placebobehandlung keine Vorteile im Hinblick auf Mortalität, Hospitalisierungsrate oder thromboembolische Ereignisse.
In der S2e-Leitlinie der DEGAM (Stand 4.2.2022) wird daher eine klare Negativempfehlung ausgesprochen: „Bei ambulanten COVID-19-Patienten ohne Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf soll eine Thromboembolieprophylaxe nicht eingesetzt werden (Empfehlungsgrad A).“
Anders bei schwer kranken und teilweise immobilen SARS-CoV-2-Infizierten: Hier könnte der Nutzen einer prophylaktischen Antikoagulation mit dem bei stationären COVID-Kranken vergleichbar sein. Dementsprechend gibt es für sie seit Februar eine Kann-Empfehlung: „Bei alten und/oder vorerkrankten Patientinnen und Patienten mit SARS-CoV-2- Infektion und einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf, die mindestens teilweise immobil sind, kann eine medikamentöse Thromboseprophylaxe mit einem NMH erfolgen (z. B. mit Enoxaparin s.c., 1 x 4.000 IE/d).“
Diese Empfehlung gilt natürlich nicht, wenn bereits eine orale Antikoagulation erfolgt; bei bestehender ASS-Dauertherapie wird zu „vorsichtiger Abwägung“ und gegebenenfalls PPI-Prophylaxe für Ältere geraten.
Was Leitlinien raten
- In der ambulanten Situation gibt es von der DEGAM eine Kann-Empfehlung zur VTE-Prophylaxe bei schwer kranken und teilweise immobilen SARS-CoV-2-Infizierten.
- Hospitalisierte Patienten ohne Kontraindikationen sollen laut S3-Leitlinie (AWMF-Register-Nr. 113/001) eine standardmäßige VTE-Prophylaxe erhalten.
Stationäre Schutzmaßnahmen
Hospitalisierte Patienten ohne Kontraindikationen sollen laut S3-Leitlinie (AWMF-Register-Nr. 113/001) eine standardmäßige VTE-Prophylaxe erhalten, bevorzugt mit einem niedermolekularen Heparin (NMH), alternativ mit Fondaparinux. Ausdrücklich abgelehnt wird eine halbtherapeutische Dosierung von NMH („sollte nicht“), weil sie im Vergleich zur Standardprophylaxe keinen Nutzen hat.
In besonderen Fällen können NMH aber in therapeutischer Dosierung gegeben werden, und zwar mit dem Ziel, die Progression von COVID-19 zu bremsen.
Die entsprechende Empfehlung („kann erwogen werden“) gilt nur für „nicht intensivpflichtige Patienten mit erhöhtem Risiko (z. B. D-Dimere ≥ 2 mg/l) und niedrigem Blutungsrisiko“. Bei Intensivpatienten (ohne anderweitige Indikation) sollte dagegen auf eine therapeutische Antikoagulation verzichtet werden, weil sie ohne Nutzen der Gefahr schwererer Blutungen ausgesetzt werden.
Nach Entlassung wird eine routinemäßige Fortführung der Antikoagulation nicht empfohlen, hier handelt es sich um Einzelfallentscheidungen, abhängig von Blutungs- und VTE-Risiko. In einer randomisierten kontrollierten Studie kam es bei Patienten mit hohem VTE-Risiko (z. B. D-Dimere ≥ 2 x oberer Grenzwert) in den ersten 35 Tagen seltener zu Thrombosen (venös oder arteriell) oder kardiovaskulären Todesfällen, wenn sie nach Klinikaufenthalt Rivaroxaban statt Placebo erhielten (Lancet 2022; 399: 50–59).
Quelle: Ärzte Zeitung