EKT stoppt Depression auch bei Demenz

Die Elektrokrampftherapie schadet der Kognition älterer Patienten offenbar nicht – ganz im Gegenteil, es deuten sich sogar positive Effekte an. Auch bei schwerer Agitation und Katatonie infolge einer Demenz ist die Behandlung sehr wirksam. Die Elektrokrampftherapie (EKT) gilt noch immer als eine der wirksamsten Optionen gegen schwere Depressionen. Bei älteren oder demenzkranken Depressiven tun sich Ärzte jedoch oftmals schwer, weil sie negative Effekte auf die geistige Leistung befürchten. Doch viele Untersuchungen deuteten auf eher günstige Effekte der EKT auf die Kognition, erläuterte Professor Alexander Sartorius vom Zentralinstitut (ZI) für Seelische Gesundheit in Mannheim auf dem virtuellen DGPPN-Kongress. Der Experte nannte eine eigene Studie, nach der umso mehr Beta-Amyloid in den Liquor gespült wird, je häufiger sich Patienten einer EKT unterziehen – viel Beta-Amyloid im Liquor deutet in der Regel auf eine geringe Ablagerung im Gehirn. Auch das Anti-Ageing-Protein Klotho nahm nach einer EKT-Serie im Liquor zu. Bei einer Alzheimerdemenz sind die Konzentrationen des Proteins im Liquor sehr niedrig, so Sartorius. Solche Liquorveränderungen sahen die Forscher sowohl bei Patienten mit als auch ohne Demenz. Die Experten konnten zudem einen Volumenzuwachs der grauen Substanz in temporomesialen und hippocampalen Kortexbereichen nach EKT-Anwendungen feststellen. „Das ist interessant, da diese Areale bei Alzheimer einen ausgeprägten Verlust der grauen Substanz zeigen“, sagte Sartorius. Geringere Demenzinzidenz nach EKT Der Psychiater nannte zudem eine epidemiologische Studie aus Dänemark, welche die Demenzinzidenz bei Patienten mit affektiven Störungen analysierte. Die Inzidenz war hier rund doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung – ein bekanntes Phänomen. Hatten die Patienten jedoch schon mindestens einmal in ihrem Leben eine EKT erhalten, war die Inzidenz deutlich weniger erhöht – sie lag dann in etwa zwischen der Demenzinzidenz der Allgemeinbevölkerung und der von affektiv Betroffenen ohne EKT. Empfehlung der Redaktion Affektive Störungen – Themenseite Aktuelle Meldungen, Übersichtsarbeiten und CME-Kurse zu affektiven Störungen, sowie Therapie- und Diagnoseempfehlungen für die Praxis finden Sie auf unserer Themenseite. In dieses Bild passt auch eine Untersuchung, nach der die Werte beim Mini-Mental-Status-Test (MMST) von depressiven Patienten mit ersten kognitiven Einschränkungen (MCI) oder einer leichten Demenz in den sechs Monaten nach einer EKT-Serie deutlich zunahmen – die kognitive Leistung hatte sich im Anschluss an die EKT also deutlich verbessert. „Das war sehr beeindruckend, damit hatten wir in diesem Ausmaß nicht gerechnet“, sagte Sartorius. Die kognitive Steigerung ging mit einem drastischen Rückgang der Depressionssymptome einher. Die spannende Frage ist nun natürlich: Lindert die EKT lediglich die Depression und eine dadurch verursachte Pseudodemenz oder hat sie tatsächlich einen klinisch messbaren Einfluss auf den Verlauf der Neurodegeneration, wie es die Liquoranalysen zu Beta-Amyloid und Klotho sowie die Hirnvolumetrie und epidemiologische Daten nahelegen? Das lässt sich so kaum sagen. Für Sartorius ist jedoch entscheidend, dass die EKT der Kognition zumindest nicht schadet und daher auch bei entsprechenden Indikationen in der Geriatrie zur Anwendung kommen sollte. Der Experte verwies auf die guten Erfahrungen am ZI in Mannheim: Hier würden rund die Hälfte der jährlich 1500 EKT-Anwendungen bei Patienten im Alter von mehr als 65 Jahren erfolgen. „Das ist für uns klinischer Alltag.“ Die Wirksamkeit des Verfahrens sei mittlerweile in den kontrollierten PRIDE-Studien speziell für ältere Depressiven belegt worden. Wirksam auch gegen Katatonie und Agitation Kasuistiken und Fallserien deuteten zudem auf einen Nutzen der EKT gegen Katatonie, starke Agitiertheit und übermäßige Aggression sowohl bei älteren Patienten mit einer vorbestehenden Psychose als auch solchen mit einer Demenz. Sartorius nannte als Beispiel eine 57-jährige Frau mit einer rasch progredienten Alzheimerdemenz und extrem starker Agitation, welche die Ärzte mit klassischen Methoden nicht in den Griff bekamen. Die Frau kam mit einem Wert von 11 Punkten auf der Pittsburgh Agitation Scale (PAS) in die Klinik, mit konservativer Behandlung sank der Wert lediglich auf 9 Punkte, nach einer EKT-Serie auf 2 Punkte. Die Patientin blieb rund vier Monate stabil, dann stieg der Wert wieder deutlich bis fast auf das Ausgangsniveau. „Die Wirkungsdauer ist damit ganz ähnlich wie bei Patienten mit schweren Depressionen“, so der Experte. Voraussetzung für eine EKT bei Älteren ist eine Narkosefähigkeit, zu berücksichtigen seien auch eventuell vorhandene Hirnschrittmacher, implantierte Defibrillatoren, Hirnaneurysmen oder Hirnmetastasen. Grundsätzlich sei eine EKT bei älteren Menschen meistens gut machbar und sogar oft wirksamer als bei jüngeren, so das Fazit des Experten. Empfehlung der Redaktion Berichte vom virtuellen DGPPN-Kongress Das Dossier zum Psychiatrie-Kongress In unserem Dossier zum DGPPN-Kongress erwarten Sie u.a. Beiträge zu der Evidenz von Cannabinoiden bei psychiatrischen Erkrankungen. Und sie lesen von ersten Erfahrungen mit Ketamin bei therapieresistenten Depressionen oder wie Kognitionstraining bei affektiven Störungen helfen kann. basierend auf: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), virtuell, 26.11.– 28.11.2020. Symposium S-049: "EKT jenseits der Depression: spezifische Populationen und (noch) seltene Indikationen."

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