EKT hilft auch Jugendlichen und Schwangeren

Ist eine rasche Besserung bei schweren psychischen Störungen nötig, ist die EKT auch für Schwangere und Minderjährige eine wirksame Option. Erste Studie deuten zudem auf Effekte bei PTBS. Was tun, wenn eine werdende Mutter sich selbst und ihr Kind gefährdet? Ärzte um Privatdozent David Zilles-Wegner von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Göttingen waren mit diesem Problem bei einer 18-jährigen Patientin mit einer ausgeprägten schizoaffektiven Störung konfrontiert. Die Frau zeigte formalgedankliche Störungen, negierte ihre Schwangerschaft, verfiel in einen ausgeprägten psychomotorischen Erregungszustand, schlug sich auf den Bauch oder ließ sich immer wieder auf den Bauch fallen – die Ärzte gingen daher von einer Gefahr für Mutter und Fetus aus. Die Einstellung auf Quetiapin 700–1000 mg/d kombiniert mit Diazepam 30 mg/d brachte nicht den erhofften Erfolg, was die Psychiater auch auf zu niedrige Plasmaspiegel zurückführten, vermutlich infolge einer übermäßigen Induktion von Cytochrom P450 3A4 in der Schwangerschaft. Zusammen mit der Mutter der Patientin zogen die Ärzte eine Umstellung der Medikation oder eine Elektrokrampftherapie (EKT) in Betracht, entschieden sich dann für Letzteres. Risiken überbewertet? Über Nutzen und Risiken der EKT in der Schwangerschaft, so Zilles-Wegner auf dem virtuellen DGPPN-Kongress, gibt es inzwischen einige Untersuchungen. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2014, die Schwangerschaftskomplikationen von psychisch kranken Frauen mit und ohne EKT verglich, fand eher geringe zusätzliche Risiken für die EKT, eine zuvor veröffentlichte Analyse ging von einem relativ hohen Risiko von Schwangerschaftskomplikationen aus, allerdings ohne eine Vergleichsgruppe von psychisch kranken Schwangeren heranzuziehen. Danach wurden während EKT-Serien bei der Mutter Uteruskontraktionen, vaginale Blutungen, Plazentalösungen oder Präeklampsien beobachtet, beim Fetus Bradykardien, Arrhythmien, ein neonatales Atemnotsyndrom, intrauterine Wachstumsrestriktionen oder eine mentale Retardierung des Kindes nach der Geburt. Zilles-Wegner verwies jedoch auf eine Publikation, nach der die meisten dieser Schwangerschaftskomplikationen bei Schwangeren mit psychischen Störungen gehäuft auftreten, sodass sie nicht unbedingt in einem Zusammenhang mit der EKT stehen müssen. Bei der eigenen Patientin wurde einmal eine fetale Bradykardie direkt unter der EKT beobachtet – der Puls fiel für etwa 90 Sekunden von 120/min auf 100/min. Dies erforderte jedoch keine Intervention, so der Psychiater. Die Frau erzielte eine Remission, konnte stabil unter einer Risperidon-Erhaltungstherapie entlassen werden und brachte später einen gesunden Jungen zur Welt. Wird eine EKT bei Schwangeren erwogen, müssten jedoch einige Dinge beachtet werden. Zilles-Wegner nannte etwa eine Notsectiobereitschaft, ein CTG-Monitoring eine Stunde vor und nach der EKT, eine vaginale Inspektion zum Ausschluss von Blutungen und Blasensprung sowie eine Lungenreifeinduktion mit Betamethason bei einer EKT zwischen der 24. und 34. Schwangerschaftswoche, um im Falle einer Frühgeburt ein Atemnotsyndrom zu vermeiden. Für die Mutter ist ein Aspirationsschutz nötig, gegebenenfalls kann auch eine Intubation erwogen werden, zudem sollte die Patientin linksseitig gelagert werden, um eine Kompression der Vena cava inferior sowie der Aorta abdominalis zu verhindern. Fallserie mit 29 Jugendlichen Ähnlich vorsichtig wie bei Schwangeren sind viele Ärzte bei Minderjährigen. Dr. Henrik Uebel-von Sandersleben, Leitender Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Göttingen, sieht die EKT auch hier als gute und wirksame Option bei schweren psychischen Störungen. Er erinnerte daran, dass bei Minderjährigen Psychotherapien im Vordergrund stehen, diese bei sehr schweren Depressionen aber oft nicht möglich sind. Zur medikamentösen Unterstützung ist bei Kindern und Jugendlichen nur Fluoxetin zugelassen, alle anderen Antidepressiva können Ärzte nur off-label geben. Inzwischen gebe es einige Studien und Fallserien, die auch eine gute Wirksamkeit der EKT bei Minderjährigen belegten, allerdings nicht aus Deutschland. Uebel-von Sandersleben hat mit Kollegen aus Mannheim und Rostock daher eine gemeinsame Fallserie zu 29 Jugendlichen ausgewertet. Im Schnitt lag der Wert auf der Symptomschwereskala CGI-S vor Beginn der EKT bei 7 Punkten, mit der Behandlung fiel er um 3,2 Punkte. Die EKT schien dabei über alle Indikationen wie Schizophrenie, Depression oder Katatonie ähnlich gut wirksam zu sein, allerdings wirkte sie weniger gut, wenn die Ärzte bei den jungen Patienten in den Wochen und Monaten vor der Behandlung sehr viele Medikamente ausprobiert hatten. In der Fallserie waren es vor der Krampftherapie im Mittel fast fünf medikamentöse Therapien. Der Psychiater ermunterte die Kollegen, schon früher an die EKT zu denken. Inzwischen gibt es auch einige Studie zur EKT bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Hier scheint das Verfahren ebenfalls zu wirken, so Dr. Ulrike Schmidt vom Uniklinikum Bonn, wenngleich die Wirksamkeit auf die PTBS-Symptomatik weniger ausgeprägt sei als auf die Depressionen. Die Evidenz sei allerdings noch sehr gering, auch gebe es praktisch keine Vergleichsstudien zwischen EKT, Medikamenten und Psychotherapie bei PTBS. Empfehlung der Redaktion Berichte vom virtuellen DGPPN-Kongress Das Dossier zum Psychiatrie-Kongress In unserem Dossier zum DGPPN-Kongress erwarten Sie u.a. Beiträge zu der Evidenz von Cannabinoiden bei psychiatrischen Erkrankungen. Und sie lesen von ersten Erfahrungen mit Ketamin bei therapieresistenten Depressionen oder wie Kognitionstraining bei affektiven Störungen helfen kann. basierend auf: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), virtuell, 26.11.– 28.11.2020. Symposium S-049: "EKT jenseits der Depression: spezifische Populationen und (noch) seltene Indikationen."

Live-Webinar "Urologie und Sexualmedizin in der Praxis"

Springer Medizin

EKT hilft auch Jugendlichen und Schwangeren

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Alarmierender Anstieg psychischer Erkrankungen bei jungen Patienten

Photosensibilisierung durch Medikamente: So schützen Sie Ihre Patienten

Depression behandeln. Natürlich.