Biomarker für eine frühe MS-Diagnose

Serumkonzentrationen vom sauren Gliafaserprotein (GFAP) könnten bei radiologisch isoliertem Syndrom Hinweise auf ein erhöhtes MS-Risiko geben. Im Liquor bestätigen Kappa-Leichtketten eine manifeste MS. Je früher bei einer MS eine Therapie begonnen wird, umso besser ist die Prognose. Grundlage der Diagnose bleibt aber zumindest ein MS-typischer Schub, dem häufig klinisch unbemerkte Entzündungsprozesse im ZNS vorausgehen. Werden klinisch unauffällige MS-typische Läsionen als Zufallsbefund in MRT-Aufnahmen entdeckt, so haben die Betroffenen zunächst ein radiologisch isoliertes Syndrom (RIS), das in eine MS übergehen kann, aber nicht muss. Die entscheidende Frage ist, ob solche Patientinnen und Patienten bereits mit MS-Medikamenten behandelt werden sollten. Schön wäre es, hier einen Serumbiomarker zu haben, der ein erhöhtes Konversionsrisiko anzeigt. Ein Team um Dr. Raphael Schneider vom der St.-Michaels-Klinik in Toronto, Kanada, hat nun geschaut ob die bekannten MS-Prognose- und Verlaufsmarker NFL (Leichtkettenneurofilament) und GFAP (Glial Fibrillary Acidic Protein) auch bei RIS hilfreich sind. NFL spricht bekanntlich für einen axonalen Schaden, GFAP deutet auf eine Gliose sowie eine Astrozytenschädigung. Erhöhte Serumwerte der beiden Marker gehen bei MS-Kranken mit einem beschleunigten Verlauf und einer ungünstigen Prognose einher. In einer Querschnittsanalyse bei 37 Betroffenen mit RIS schauten die Forschenden nun, wie die beiden Biomarker mit den radiologischen Befunden korrelieren. 70% der Betroffenen waren Frauen, das Alter lag im Mittel bei 44 Jahren. Je höher die GFAP-Werte, umso mehr MS-typische Läsionen Keinerlei Korrelation gab es zwischen NFL- und GFAP-Serumwerten mit der Zahl der Läsionen in der weißen Substanz. Schauten die Forschenden jedoch nach dem zentralen Venenzeichen, einem in der Bildgebung hypointensen Entzündungsherd um eine Vene, der recht spezifisch auf eine MS-Läsion weist, ergab sich ein anderes Bild: je mehr solcher Läsionen, umso höher die Serum-GFAP-Konzentration. Für NFL fanden sie jedoch erneut keinen signifikanten Zusammenhang. Eine ähnliche Korrelation ergab sich mit schwarzen Löchern in T1-gewichteten MRT-Aufnahmen: Je höher der GFAP-Wert, umso mehr schwarze Löcher, dagegen war der NFL-Wert erneut nicht prädiktiv. Typisch bei MS sind zudem hypointense Ringe um Läsionen, sogenannte paramagnetic rim lesions (PRL). Sie deuten auf eine Eisenakkumulation durch Makrophagen und Mikroglia und werden chronisch-entzündlichen Prozessen zugeordnet. Wiederum war der GFAP-Wert, aber nicht die NFL-Serumkonzentration, umso höher, je mehr PRL sich nachwiesen ließen. „Der GFAP-Serumwert könnte daher diejenigen identifizieren, die von einer MS-Therapie profitieren“, so Schneider. Das wäre freilich noch zu zeigen, so ist unklar, ob hohe GFAP-Werte tatsächlich mit einem hohen Konversionsrisiko einhergehen. Dies soll eine längere Beobachtung der RIS-Kohorte klären. Empfehlung der Redaktion Kongressdossier Highlights vom ECTRIMS-Kongress 2022 Im Dossier finden Sie unsere Highlights und Berichte vom 38. Kongress des European Committee for Treatment and Research in MS (ECTRIMS): Wann ist die beste Zeit für eine hochaktive Therapie? Welche Entwicklungen gibt es rund um Biomarker zur Früherkennung und zum Monitoring? Neue Daten gibt es außerdem zu bewährten Medikamenten. Kappa-Leichtkettentest ersetzt Nachweis von oligoklonalen Banden Haben betroffene einen ersten MS-typischen Schub, können oligoklonale Banden (OCB) im Liquor eine MS bestätigen. Allerdings sei der Nachweis solcher Banden sehr arbeitsintensiv, auch sei nur eine qualitative Aussage möglich, und schließlich liege es im Auge des Betrachters, die Banden zu erkennen. Viel besser wäre eine quantitative Messung mit klaren Grenzwerten, so Professor Florian Deisenhammer von der Medizinische Universität Innsbruck. Eine solche Messung sei mit dem Nachweis von Immunglobulin-Leichtketten im Liquor möglich. Die Leichtketten wandern übers Blut in den Liquor und werden auch intrathekal von Plasmazellen sezerniert. Eine hohe Liquorkonzentration deute daher ähnlich wie ein positiver OCB-Test auf ein hohe B-Zell-Aktivität im ZNS, so Deisenhammer. Von den beiden Leichtkettenvarianten Kappa und Lambda lasse sich vor allem Kappa gut bestimmen. Anhand einer Metaanalyse von publizierten Studien kommt eine internationale Expertenrunde um den Neurologen zu dem Schluss, dass die Trennschärfe von Kappa-Leichtketten bei der MS-Diagnose ähnlich gut ist wie die von OCB (Sensitivität je 88% und 85%, Spezifität je 89% und 92%). Der Kappa-Leichtkettennachweis könnte daher den Test auf OCB ersetzen. Letztere wäre dann nur noch nötig, sollte die Kappa-Konzentration grenzwertig sein. Da der genaue Grenzwert aber noch festgelegt werden muss, empfiehlt ein Expertenpanel um Deisenhammer, den Kappa-Leichtkettentest zunächst als zusätzliches Tool bei der Liquoranalyse in die nächste Überarbeitung der McDonald-Kriterien aufzunehmen. Quelle: Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Amsterdam 26–28.10.2022. Free Communications 4: Diagnostic and prognostic biomarkers

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