MS-Mittel bremsen progrediente MS auch in der Praxis

Eine große internationale Registeranalyse deutet auf einen deutlichen Nutzen von klassischen MS-Medikamenten bei sekundär progedienter MS. Bei älteren MS-Kranken ohne Schübe kann eine solche Behandlung die Progression aber nicht mehr bremsen. Spätestens seit die Resultate der Phase-3-Studie EXPAND auf dem MS-Kongress ECTRIMS vor sechs Jahren präsentiert worden sind, ist klar, dass MS-Kranke auch in der sekundär progredienten Phase (SPMS) noch von krankheitsmodifizierenden Therapeutika (DMT) profitieren. In EXPAND konnten die Behinderungsprogression unter dem S1P-Rezeptormodulator Siponimod über zwei Jahre hinweg um mehr als ein Fünftel reduziert werden. Deutlich wurde dabei aber auch, dass zwar nicht nur, aber vor allem jüngere Erkrankte, solche mit relativ niedrigen EDSS-Werten und jene mit gelegentlichen Schüben von der Behandlung profitierten, ältere und schubfreie Personen mit starken Behinderungen hingegen deutlich weniger. Da in solchen Studien oft eine starke Patientenselektion stattfindet, ist es immer interessant, eine Bestätigung der Effekte auch in der Praxis mit weniger selektierten Frauen und Männern zu sehen. Ein Team um Dr. Luigi Pontieri vom dänischen MS-Register ist nun diesen Weg gegangen: Die Forschenden haben acht nationale Register aus Europa sowie das internationale Register MSBase aus Australien ausgewertet und sich den EDSS-Verlauf bei behandelten und unbehandelten SPMS-Kranken angeschaut. Geringere EDSS-Progression bei MS-Kranken mit DMT Wie Pontieri auf dem aktuellen ECTRIMS-Kongress berichtet hat, wurden dafür zunächst die Daten aus den verschiedenen Registern homogenisiert, danach schauten die Neurologinnen und Neurologen, welcher Anteil der Betroffenen mit SPMS in den beiden Jahren 2015 und 2016 mit DMT behandelt worden war, und schließlich verglichen sie die EDSS-Progression in den folgenden vier Jahren. Als behandelt galten MS-Kranke, wenn sie in den beiden Indexjahren über mindestens 80% der Zeit DMT erhalten hatten, die übrigen zählten zur Gruppe der Unbehandelten. Da in den Indexjahren noch keine spezifischen DMT gegen SPMS zugelassen waren, hatten die MS-Kranken die damals üblichen Medikamente gegen schubförmige MS bekommen. Empfehlung der Redaktion Kongressdossier Highlights vom ECTRIMS-Kongress 2022 Im Dossier finden Sie unsere Highlights und Berichte vom 38. Kongress des European Committee for Treatment and Research in MS (ECTRIMS): Wann ist die beste Zeit für eine hochaktive Therapie? Welche Entwicklungen gibt es rund um Biomarker zur Früherkennung und zum Monitoring? Neue Daten gibt es außerdem zu bewährten Medikamenten. Die beiden Gruppen unterschieden sich jedoch deutlich: Unbehandelte Erkrankte waren in der Regel sechs bis acht Jahre älter und schon ähnlich viele Jahre länger erkrankt, hatten einen höheren EDSS-Wert zu Beginn der Analyse und im Gegensatz zu den behandelten praktisch keine Schübe mehr. Wurden solche Faktoren berücksichtigt, lag der EDSS-Wert in späteren Assessments bei den unbehandelten Personen um etwa 0,5 Punkte höherer, auch nahm der EDSS-Wert über die Zeit hinweg bei ihnen stärker zu. Diese Effekte zeigten sich in praktisch allen der neun einzelnen Register, allerdings nicht bei den älteren MS-Kranken: Hier nahm der EDSS-Wert unabhängig von einer Therapie ähnlich schnell zu. Für Pontieri ist dies ein Hinweis, eine Behandlung mit DMT auch noch in den ersten Jahren einer SPMS fortzuführen. Dadurch lasse sich die Behinderungsprogression erst einmal verzögern und die Betroffenen hätten dann im Alter, wenn DMT nicht mehr gut wirken, vermutlich weniger Einschränkungen. Quelle: Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Amsterdam 26–28.10.2022. Scientific Session 5: Progressive MS. Luigi Pontieri: Influence of disease modifying therapies on Expanded Disability Status Scale scores trajectories in treated and not-treated patients with secondary progressive multiple sclerosis - analysis from nine registries.

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