Im Kontext der globalen Klimakrise stehen Ärztinnen und Ärzte vor besonderen Herausforderungen: Es gilt, mit umweltfreundlicher Medizin und Klimaschutzmaßnahmen den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, aber auch die unausweichlichen Folgen des Klimawandels zu bewältigen. PD Dr. med. Christian Schulz setzt sich als Geschäftsführer der „Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit“ (KLUG e. V.) für eine nachhaltige und klimaresiliente Gesundheitsversorgung ein. Im Webinar von SpringerMedizin.de zeigte er Wege auf, wie die Transformation gelingen kann.
Die Folgen des Klimawandels und der steigenden Luftverschmutzung sind immer deutlicher zu spüren, auch in Praxen und Kliniken hierzulande: Patienten, die unter Hitzefolgen leiden, Zunahme von Allergien und Atemwegserkrankungen, neue Erreger, die sich aufgrund steigender Temperaturen bei uns ausbreiten – aber zum Beispiel auch Angststörungen, die die mentale Belastung der Menschen widerspiegeln: All das sind Facetten der globalen Klimakrise, die den Gesundheitssektor direkt betreffen. Nach PD Dr. med. Christian Schulz, seit 2021 Geschäftsführer der „Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit“ (KLUG e.V.), steht dieser einerseits vor der Aufgabe, die steigende Krankheitslast, die sich aus der multidimensionalen Krise ergibt, aufzufangen. Auf der anderen Seite sieht der Anästhesist und Intensivmediziner Schulz aber auch enorme Handlungsspielräume in der Prävention und Risikoreduktion, gerade im ärztlichen Bereich.
Gesundheitssektor mitverantwortlich für Emissionen
Der Gesundheitssektor als Ganzes ist verantwortlich für etwa 5–6% der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Dabei entfällt der Großteil auf die Krankenhäuser: Durch ihren Energiebedarf, die Produktion von Müll, durch Emissionen, speziell den Ausstoß von Anästhesiegasen mit ihrem enormen Treibhauspotenzial tragen sie zur Umweltbelastung bei. Anlässlich des Webinars „Klimawandel und Gesundheit“ bedauerte Schulz, dass zwei Drittel der deutschen Krankenhäuser noch keinen Klimabeauftragten bestellt haben. Dabei gebe es in diesem Bereich eine ganze Reihe von Handlungsfeldern: beim Einsparen von Energie, beim Umstieg auf regenerative Energiequellen, aber auch bei den Lieferketten: „Wie können wir nachhaltig einkaufen? Wie gelingt der Umstieg von Einweg auf Mehrweg?“
Allianz für klimaresiliente Medizin
Erst in diesem Jahr haben Schulz und sein Team in Berlin das „Kompetenzzentrum klimaresiliente Medizin und Gesundheitseinrichtungen“ (KliMeG) gegründet, eine, so Schulz, „strategische Allianz“, die Kliniken in zweierlei Hinsicht unterstützen soll:
- bei der Transformation hin zu einer klimafreundlichen Einrichtung, die eine ökologisch nachhaltige Gesundheitsversorgung ermöglicht, und
- bei Maßnahmen, um die Einrichtung „hitzefest“ zu machen, also resilient gegenüber den bereits stattfindenden Veränderungen im Kontext der Klimakrise.
Auf der Website www.klimeg.de findet sich unter anderem ein 10-Punkte-Plan zum Hitzeschutz für Krankenhäuser oder ein speziell für den Klinikbetrieb entwickelter Treibhausgasrechner. Das Kompetenzzentrum bietet Workshops und Beratungen, zum Beispiel dazu, wie man Emissionen messbar und Lieferketten transparent machen kann, und hilft nicht zuletzt beim Erstellen von Nachhaltigkeitsberichten (CSR, Corporate Sustainability Reporting), wozu die Kliniken nach der neuen EU-Richtlinie künftig verpflichtet sind. Nach Schulz sind bereits 10% der deutschen Krankenhäuser (bezogen auf die Bettenzahl) an dem Netzwerk beteiligt.
Vernetzungsmöglichkeiten im hausärztlichen Bereich
Auch für den Hausarztbereich gibt es bereits verschiedene Initiativen, in denen sich am Klimaschutz Interessierte vernetzen können. Schulz nannte den Verein „KlimaDocs e. V.“, der kostenlos Infomaterial fürs Wartezimmer zur Verfügung stellt (www.klimadocs.de), sowie die „Klima-Sprechstunde“, ein von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) initiiertes „multimodales präventives Konzept zur planetaren und individuellen Gesundheit“ (Näheres unter https://www.degam.de/klimawandel). Auch die Webinarreihe „Klimawandel und Gesundheit“ wird sich in einer für das kommende Jahr geplanten Folge dem Hausarztbereich widmen (Informationen zu dieser und zu weiteren Veranstaltungen unter www.springermedizin.de).
In Gesundheit investieren: Was passiert mit unseren Beiträgen für die Altersvorsorge?
Im Kontext der Klimakrise komme es auch für den Gesundheitssektor immer mehr darauf an, die Überschreitung ökologischer Belastungsgrenzen der Erde zu vermeiden, betonte Schulz. Geld sei hier ein wichtiger Hebel. Er und sein Team wollten wissen, inwieweit sich die insgesamt 18 ärztlichen Versorgungswerke in Deutschland ihrer Verantwortung im Bereich „planetare Gesundheit“ stellen. Mithilfe von Fragebögen sollte unter anderem eruiert werden, wohin die Gelder aus den Pensionsfonds fließen, welche Prinzipien bei Investmententscheidungen angelegt werden, inwieweit Investitionen in gesundheitsgefährdende Industriezweige vermieden und ökologisch nachhaltige Projekte im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens gefördert werden.
Die Rücklaufquote war laut Schulz mehr als enttäuschend: Trotz Gewährleistung von Anonymität habe keines der Versorgungswerke den Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt. Die meisten hätten zwar angegeben, ESG-Kriterien* zu berücksichtigen, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Wie Schulz berichtete, sei es nur in einem Fall gelungen, den Fußabdruck des jeweiligen Investitionsportfolios in Bezug auf CO2-Emissionen zu quantifizieren. Die Ergebnisse der Studie sind in der Zeitschrift „Lancet Planetary Health“ publiziert.
„Wir Ärzte müssen politischer werden!“
„Die Versorgungswerke haben den Ernst der Lage nicht verstanden und schöpfen ihr transformatives Potenzial nicht aus“, so das Resümee von Schulz. Als Anleger habe man durchaus Möglichkeiten, Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu nehmen. Es stelle sich die Frage, ob es „schlau ist, das Geld da drin zu lassen oder rauszuziehen und neu in schnell wachsende Sektoren, zum Beispiel Windkraft, zu investieren, die dazu beitragen, die Gesundheit zu schützen“. Für Schulz steht fest: „Um erfolgreich Prävention betreiben zu können, müssen wir Ärzte in unserem Handeln viel politischer werden!“ Den CO2-Fußabdruck der eigenen Praxis oder Klinik so gering wie möglich zu halten, sei das eine. Diese widerstandsfähig zu machen gegen die Folgen der Klimakrise, Verbündete zu suchen, sich zu vernetzen, den eigenen „Handabdruck“ zu vergrößern, das andere. Schulz selbst hat die Erfahrung gemacht, dass es sehr viel Freude bereiten kann, wenn man aktiv wird, die eigenen Freiheitsgrade ausschöpft: „Wenn wir unsere Lähmung überwinden, dient das auch unserer eigenen mentalen Gesundheit.“
*Kriterien aus den Bereichen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance)