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Open Access 2022 | MS-Therapeutika | OriginalPaper | Buchkapitel

9. Arzneimittelversorgung bei Multipler Sklerose

verfasst von : Prof. Dr. Friedemann Paul, Prof. Dr. med. Achim Berthele

Erschienen in: Arzneimittel-Kompass 2022

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Zusammenfassung
Die Multiple Sklerose (MS) gehört zu den Erkrankungen, bei denen die Arzneimitteltherapie in den letzten drei Jahrzehnten sehr große Fortschritte erzielen konnte. Die MS wird immer noch gern als „Krankheit mit den tausend Gesichtern“ bezeichnet, was mit Blick auf die Vielgestaltigkeit möglicher Symptome sicher weiter richtig ist. Ein anderer Aspekt der „tausend Gesichter“, nämlich die Unvorhersehbarkeit des Verlaufs bezüglich Krankheitsschüben und neurologischer Behinderung, hat inzwischen viel von seinem Schrecken verloren. Prädiktoren für die Schwere des Verlaufes sind in Entwicklung. Auch die Effektivität der Schubtherapie hat sich deutlich verbessert. Eine bleibende neurologische Behinderung durch die Erkrankung kommt zwar weiterhin vor, ist jedoch seltener geworden und lässt sich durch eine frühe Therapie günstig beeinflussen. Möglich gemacht hat dies eine breites Spektrum an Immuntherapeutika, die die MS zwar weiterhin nicht heilen können, aber den Weg zu Konzepten einer individualisierten MS-Therapie geöffnet haben. Diese sehr positive Entwicklung braucht aber auch einen kritischen Blick auf die Herausforderungen. Einige Facetten daraus – aus der Position der Therapeuten, der MS-Erkrankten, aber auch der Solidargemeinschaft – soll dieser Beitrag beschreiben.

9.1 Welche Besonderheiten weist die betrachtete Gruppe auf?

Die Multiple Sklerose – auch Krankheit der tausend Gesichter genannt – ist eine der häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen des jungen bis mittleren Erwachsenenalters. Man geht aktuell von ca. 250.000 Betroffenen in Deutschland aus mit steigender Tendenz; Frauen sind dabei zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer (Daltrozzo et al. 2018; Engelhard et al. 2022; Holstiege et al. 2017).
Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der sogenannte autoreaktive Immunzellen die myelinhaltigen Hüllen der Nervenfasern (Axone) des zentralen Nervensystems (ZNS: Gehirn, Sehnerven und Rückenmark) angreifen. Diese Entzündungen können reversibel sein; es kann aber auch zu einer „Entmarkung“ mit bleibendem Verlust von Axonen und den zugehörigen Neuronen kommen. Daher gilt die MS nicht mehr nur als autoimmun-entzündliche, sondern auch als neurodegenerative Erkrankung. Was die immunologische „Initialzündung“ auslöst, ist allerdings nach wie vor nicht geklärt. Hierzu gibt es viele Hypothesen, nicht zuletzt die gerade wieder aktuelle Idee einer parainfektiösen Genese nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (Bjornevik et al. 2022).
Auch wenn die MS weiterhin seltener ist als typische internistische „Volkskrankheiten“, ist in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme der Inzidenz und Prävalenz festzustellen. Gründe hierfür sind einerseits eine frühere Diagnosestellung aufgrund immer sensitiverer Diagnosekriterien (seit 2001 die sogenannten McDonald-Kriterien in der nunmehr nach 2005 und 2011 zuletzt im Jahr 2017 revidierten Fassung (Thompson et al. 2018)). Andererseits scheinen sich ungünstige Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Übergewicht, ungesunde „westliche Diät“ sowie Vitamin-D-Mangel/-Defizienz, die als Risikofaktoren für MS gut belegt sind, auszuwirken. Zudem ist in vielen Ländern in den letzten Jahren eine Verschiebung der Ersterkrankungen hin zu einem höheren Lebensalter (über 40. Lebensjahr) zu beobachten (Koch-Henriksen et al. 2018; Vaughn et al. 2019). Gleichzeitig erlauben die nunmehr seit knapp 30 Jahren verfügbaren Immuntherapeutika eine normale Lebenserwartung bei MS-Erkrankten, die nach älteren Studien etwa sechs bis zehn Jahre gegenüber der Allgemeinbevölkerung reduziert war (Lunde et al. 2017).
Die MS wird damit nicht nur häufiger, sondern auch das klinische Spektrum der Erkrankung breiter: Durch die Möglichkeiten einer frühen Immuntherapie, aber auch der sensitiven Diagnostik, sind viele von der Erkrankung kaum beeinträchtigt und der Anteil schicksalshaft schwer verlaufender Erkrankungen, die zur Immobilisation und in den Rollstuhl oder gar zur Bettlägerigkeit führen, geht in den letzten Jahren erfreulicherweise kontinuierlich zurück.
Klinisch ist die MS in ca. 80 bis 90 % der Fälle durch einen schubförmig-remittierenden Verlauf charakterisiert (sog. RRMS = relapsing-remitting multiple sclerosis), und nur wenige Betroffene zeigen von Beginn an eine schleichende Zunahme neurologischer Defizite ohne abgrenzbare Schubsymptome (PPMS = primary progressive multiple sclerosis). Bei der RRMS kommt es unbehandelt in unvorhersehbarer Abfolge und zeitlicher Dynamik zu Schüben. Typisch sind Sehstörungen (Entzündung des Sehnervens), motorische oder sensible Ausfälle (Entzündung im Bereich der motorischen/sensiblen Bahnen, Hirnstamm und Rückenmark) sowie Koordinationsstörungen oder vegetative Störungen (Blasen-/Mastdarmstörungen). In den meisten Fällen remittiert die Schubsymptomatik innerhalb von Tagen bis Wochen, kann aber auch funktionell beeinträchtigende Defizite hinterlassen. Zur Schubbehandlung sehen die Leitlinien der Fachgesellschaft (Hemmer et al. 2021) die Gabe hochdosierter Kortikosteroide über drei bis fünf Tage vor. Bei weiterhin bestehender relevanter funktioneller Beeinträchtigung wird empfohlen, relativ rasch Plasmaaustauschverfahren (Plasmapherese, Immunadsorption) anzuschließen. Bei einem Teil der an einer RRMS Erkrankten geht der schubförmige Verlauf nach zehn bis vierzig Jahren in den sog. sekundär-progredienten Verlauf über (SPMS = secondary progressive multiple sclerosis), der durch eine kontinuierliche Zunahme der neurologischen Behinderung mit oder ohne aufgelagerte Schübe gekennzeichnet ist. Nach einer aktuellen Auswertung von Daten der Betriebskrankenkassen leiden in Deutschland 73,0 %, 18,8 % bzw. 8,2 % der Erkrankten an einer RRMS, SPMS bzw. PPMS – was einer ganz typischen Verteilung der MS-Subtypen entspricht (Engelhard et al. 2022).
Bezüglich der Langzeitprognose und Teilhabe höchst relevant sind interessanterweise meist Symptome, die sich nicht eindeutig einem fokal-entzündlichen Geschehen im ZNS zuordnen lassen: Depression, Fatigue (abnorme Erschöpfbarkeit), Schlafstörungen, kognitive Störungen (v. a. Störungen der Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, mindestens 70 % der Patientinnen und Patienten betroffen), (neuropathische) Schmerzen, Blasenstörungen und Spastik wirken sich dabei besonders negativ auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität aus. Vor allem die Fatigue gilt als wesentlicher Risikofaktor für eine verminderte berufliche Leistungsfähigkeit und vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (Flachenecker 2017; Flachenecker et al. 2020; Sterz et al. 2016).
Die Diagnose der MS setzt eine „passende“ klinische Symptomatik voraus und benötigt zudem „typische“ bildgebende Befunde. Hierzu erfolgen Kernspintomographien (MRT) des Gehirns und Rückenmarks, die charakteristische fokale inflammatorische Läsionen zeigen. Unterstützt wird die Diagnose durch die Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) mit ebenfalls charakteristischen Befunden (sog. oligoklonale Banden im Liquor als Zeichen einer Autoimmunreaktion im ZNS). Nach den derzeit aktuellen Diagnosekriterien kann eine MS-Diagnose in vielen Fällen bereits nach dem ersten klinischen Ereignis gestellt werden – ein wesentlicher Fortschritt, der die Erfolge der frühen Immuntherapie sehr befördert hat. In den letzten Jahren hat umfangreiche Biomarkerforschung (moderne bildgebende Verfahren, aber auch Serum-Marker wie das Neurofilament-Protein) versucht, die Prognoseabschätzung bei individuellen Betroffenen zu verbessern, allerdings ist der breite Einsatz im klinischen Alltag aufgrund methodischer Probleme und fehlender Standardisierung noch nicht absehbar.

9.2 Wie ist das Angebot an Arzneimitteln zu bewerten?

Seit der Zulassung des ersten sog. immunmodulatorischen Medikaments zur Behandlung der MS, dem Interferon beta-1b im Jahr 1995, sind bis heute in hoher Frequenz zahlreiche weitere Immuntherapeutika zugelassen worden, die in unterschiedlichen Frequenzen oral, intravenös, subkutan oder intramuskulär verabreicht werden (Tab. 9.1; Derfuss et al. 2020; Piehl 2021). Diese Entwicklung ist unbestritten als ein großer Erfolg zu bezeichnen, hat sie doch den Grundstein für eine differenzierte Immuntherapie der MS gelegt. Nichtsdestotrotz bleibt zu beachten, dass die medikamentöse Immuntherapie bis heute die MS nicht heilen, sondern nur kontrollieren kann. Ein weiteres Manko der Arzneimittelversorgung von Betroffenen mit MS ist der Mangel an in klinischen Studien geprüften und zugelassenen Behandlungsoptionen (pharmakotherapeutisch und nicht-pharmakotherapeutisch) für die o. g. erheblich beeinträchtigenden MS-Symptome Fatigue, kognitive Störungen etc. – mit wenigen Ausnahmen wie z. B. das kürzlich zugelassene Online-Programm zur Fatigue-Behandlung ELEVIDA, das nun als DIGA verordnungsfähig ist (Pöttgen et al. 2018).
Tab. 9.1
Zugelassene MS-Immuntherapeutika
 
Jahr der Zulassung
Anwendung
Indikation
Bewertung nach AMNOGa
Interferon beta-1b
1995
s. c., alle 2 Tage
RRMS, SPMS
Interferon beta-1a
1997
i. m., 1× wöchentlich
RRMS
Interferon beta-1a
1998
s. c., 3×/Woche
RRMS, SPMS
Glatirameracetat
2001
s. c., 1× täglich (3×/Woche seit 2015)
RRMS
Mitoxantron
2003
i. v., alle 3 Monate
RMS
Natalizumab i. v.
2006
i. v., alle 4 Wochen
RRMS
Fingolimod
2011
p. o., 1× täglich
RRMS
ja
Alemtuzumab
2013
i. v., 2 Therapiezyklen
RRMS
nein
Teriflunomid
2013
p. o., 1× täglich
RRMS
ja
Dimethylfumarat
2014
p. o., 2× täglich
RRMS
ja
Peg-Interferon beta 1a
2014
s. c., alle 2 Wochen
RRMS
nein
Daclizumabb
2016
(s. c.)
(RRMS)
nein
Cladribin
2017
p. o., 2 (bis 4) Therapiezyklen
RMS
ja
Ocrelizumab
2018
i. v., alle 6 Monate
RRMS, PPMS
ja
Siponimod
2020
p. o., 1× täglich
SPMS
ja
Ozanimod
2020
p. o., 1× täglich
RRMS
ja
Ponesimod
2021
p. o., 1× täglich
RRMS
ja
Natalizumab s. c.
2021
s. c., alle 4 Wochen
RRMS
nein
Ofatumumab
2021
s. c., alle 4 Wochen
RRMS
nein
Diroximelfumarat
2021
p. o., 2× täglich
RRMS
nein
i. m. intramuskulär, i. v. intravenös, p. o. per os, s. c. subkutan
RMS schubförmige MS, RRMS schubförmig remittierende MS, SPMS sekundär chronisch progrediente MS, PPMS primär chronisch progrediente MS
a seit 2011
b 2018 vom Markt genommen
Arzneimittel-Kompass 2022
Und: Man muss das Angebot an Medikamenten differenziert nach dem Subtyp und Verlauf der MS bewerten. Bei dieser Betrachtung tut sich dann eine Schere auf, die von weiterhin unbefriedigten medical needs bis zu einem mutmaßlich gesättigten Angebot reicht. Denn die Behandlung der SPMS und PPMS ist bis heute mit drei Medikamenten (SMPS: Interferone, Siponimod, Mitoxantron) bzw. einem zugelassenen Medikament (PPMS: Ocrelizumab) nur unzureichend möglich, zumal sich die zur Verfügung stehenden Medikamente in erster Linie nur gegen die noch vorhandenen entzündlichen Anteile der Erkrankung richten. Substanzen, die explizit die schubunabhängige Krankheitsprogression adressieren oder sogar eine Neuroregeneration ermöglichen, gibt es bis heute nicht oder sind in gut durchgeführten randomisierten Studien vollständig gescheitert (z. B. Biotin, anti-Lingo) (Huntemann et al. 2021; Ploughman et al. 2022).
Demgegenüber stehen für die Behandlung der RRMS aktuell 18 wirksame Medikamente zur Verfügung. Das führt einerseits zur Frage, wie die Differenzialtherapie hinsichtlich Wirksamkeit, Sicherheit, Verträglichkeit/Adhärenz am besten zu gestalten ist. Andererseits stellt sich immer mehr die Frage, was bei der Behandlung dieser Verlaufsform noch als echte Innovation zu verstehen, anzustreben oder auch nur zu bezahlen ist.

9.2.1 Wie bewertet man Wirksamkeit?

Die zur Therapie der RRMS verfügbaren Präparate haben in Zulassungsstudien gegenüber Placebo oder in den letzten zehn Jahren auch zunehmend gegen einen sog. aktiven Komparator (also ein bereits zugelassenes Immuntherapeutikum) gezeigt, dass sie die Schubraten in der Größenordnung von etwa 30 bis 80 % reduzieren (relative Risikoreduktion). Zudem hat ein Teil der Präparate eine gewisse Reduktion des Risikos der Behinderungsprogression (also der Zunahme der neurologischen Beeinträchtigung über die Zeit; gemessen mit der MS-spezifischen Behinderungsskala EDSS) zeigen können. Diese an sich positiven Daten haben aber auch Kehrseiten: So haben die Zulassungsstudien in der Regel nur eine Laufzeit/Behandlungsdauer von ein oder zwei Jahren, sodass die Annahme einer klinischen Wirksamkeit darüber hinaus nur eingeschränkt zulässig ist (Gehr et al. 2019). Dies ist problematisch bei einer nicht heilbaren, chronischen Erkrankung, mit der die Betroffenen jahrzehntelang leben und behandelt werden müssen. Hinzu kommt der Trend zu immer höheren Fallzahlen (weniger als 400 in der ersten Interferon-beta-Studie versus über 1.800 in einer Studie aus den 2010er Jahren), die erforderlich sind, um statistische Signifikanz zu generieren. Es gibt Hinweise darauf, dass die MS in den letzten Jahren bei vielen Betroffenen tendenziell milder verläuft und dass auch solche Patientinnen und Patienten bevorzugt in klinische Studien rekrutiert werden, sodass hohe Fallzahlen erforderlich sind, um am Ende ein absolutes Delta (absolute Risikoreduktion) von < 0,2 Schüben/Jahr statistisch signifikant zu erreichen. Ob dieses Zielkriterium der absoluten Risikoreduktion klinisch wirklich immer relevant ist und damit hinreichend, um Wirksamkeit zu beurteilen, darf zudem angezweifelt werden, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der zum Teil sehr hohen Kosten der Immuntherapeutika: Diese lagen 2019 im Mittel bei 52,38 € pro Tagesdosis – bei insgesamt 33,4 Mio. verordneten Tagesdosen (und mit steigender Tendenz gegenüber dem Vorjahr) (Seifert und Stangel 2020). Zudem gibt es bislang kaum zugelassene Präparate für die Behandlung der SPMS und PPMS. Erfreulicherweise haben sich jedoch die pharmazeutischen Unternehmer in den letzten Jahren hier zunehmend engagiert, sodass derzeit mehrere Studien mit Immuntherapeutika für diese Verlaufsformen durchgeführt werden.
Ein weiterer erheblicher Nachteil der bisherigen Zulassungsstudien ist die Tatsache, dass zwar oft sog. Surrogatmarker des Gewebeverlusts im ZNS (Hirnvolumenminderung im MRT, Neurofilament-Leichtketten (NFL) im Serum) gemessen wurden und die Ergebnisse dann von den pharmazeutischen Unternehmen als Zeichen der guten Wirksamkeit ihrer Präparate gewertet und auch entsprechend beworben wurden, aus Sicht der Patientinnen und Patienten relevante Endpunkte wie die Wirkung auf krankheitsbezogene Lebensqualität, Fatigue, Depression, kognitive Störungen etc. (s. o.) jedoch kaum oder gar nicht untersucht wurden. Daher muss der klinische Mehrwert mancher Immuntherapeutika aus Sicht der Betroffenen, aber auch aus pharmakoökonomischen Erwägungen durchaus bezweifelt werden.

9.2.2 Alter Wein in neuen Schläuchen – was ist Innovation?

Ist jedes MS-Medikament, wenn es auf den Markt kommt, wirklich neu? Dies sei nun im Folgenden etwas näher betrachtet. Anhand des Wirkmechanismus’ lassen sich die Immuntherapeutika einteilen in solche mit pleiotropen Mechanismen, proliferationshemmende Medikamente, antimigratorisch wirkende Substanzen und therapeutische Antikörper, die eine gezielte Zelllyse bewirken.
Unter „pleiotroper“ Wirksamkeit ist zu verstehen, dass verschiedene Wirkmechanismen diskutiert werden, ohne dass bis heute klar ist, welcher dieser Mechanismen notwendig und hinreichend ist, um die klinisch eindeutige Wirksamkeit dieser Medikamente zu erklären. Zu dieser Gruppe gehören zunächst die Interferone und die Glatirameroide. Bei beiden Substanzen handelte es sich in der MS-Therapie um eindeutige Innovationen, denn sie waren die ersten, die eine Wirksamkeit zeigen konnten. Die die Entwicklung tragenden Hypothesen zum Wirkmechanismus werden aber heutzutage nicht mehr favorisiert: Bei den Interferonen ist ursprünglich von einer antiviralen Wirkung ausgegangen worden, die für die Wirksamkeit der Interferone in der MS-Therapie kaum entscheidend ist, auch wenn virale Infektionen in der MS-Ätiopathogenese immer wieder (und auch wieder vor Kurzem: siehe Bjornevik et al. 2022) diskutiert werden. Die Glatirameroide bestehen aus den vier Aminosäuren Alanin, Lysin, Tyrosin und Glutamin in zufälliger Abfolge, aber fixer Mengenrelation und ähneln dabei dem Myelin-basischen Protein (MBP) der Hüllschichten. Eine für Krankheitsentstehung und -verlauf positive immunologische Kreuzreaktivität war daher die initiale Hypothese, die sich jedoch nicht als der wesentliche „MoA“ (mode of action) herausgestellt hat.
Zur Gruppe der pleiotrop wirkenden Medikamente ist auch das Dimethylfumarat zu zählen. Diese Substanz war insofern innovativ, als es sich um das erste orale Medikament handelte, das nach großen randomisiert-kontrollierten Studien eine breite Zulassung für die MS-Therapie bekam. Es handelte sich jedoch nicht um eine Entwicklung von bench-to-bedside, sondern um das Aufgreifen einer klinischen Beobachtung, nach der die in der Behandlung dermatologischer Erkrankungen bereits seit Jahren angewendeten Fumarsäuren auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wirksam waren. Das erst kürzlich auf den Markt gekommene Diroximelfumarat (DRF) bietet als Weiterentwicklung des Dimethylfumarats (DMF) eine bessere gastrointestinale Verträglichkeit. DRF ist im Gegensatz zu DMF kein Pro-Drug, das bei der Freisetzung des wirksamen Metaboliten im Magen-Darm-Trakt Ameisensäure freiwerden lässt. Aus Sicht der Anwendenden, die DMF nicht gut vertragen, ist daher DRF sicher eine Innovation. Bezüglich der Wirksamkeit auf die Aktivität der MS liegen für das DRF aber keine eigenständigen Untersuchungen vor – es verhält sich hier wie ein Generikum. Ebenfalls dieser Klasse zuzuordnen ist das Daclizumab, ein therapeutischer Antikörper gegen die alpha-Untereinheit (DC25) des hochaffinen IL2-Rezeptors, der 2016 unter dem Handelsnamen Zinbryta für die Behandlung der schubförmig-remittierenden MS zugelassen wurde und nach dem Auftreten mehrerer Autoimmunencephalitiden mit teils fatalem Ausgang und zumindest einem tödlichen Leberversagen im März 2018 vom Hersteller vom Markt genommen worden ist. Bei der Anwendung in der MS handelte es sich um ein Repurposing, denn Daclizumab war als „Zenapax“ für die Behandlung der akuten Transplantatabstoßung bereits von 1999 bis 2009 auf dem Markt und aus kommerziellen Gründen zurückgezogen worden.
Zu den proliferationshemmenden Medikamenten gehören das Azathioprin, das Teriflunomid und auch das Cladribin. Diese Medikamente hemmen bei kontinuierlicher (Azathioprin, Teriflunomid) oder gepulster (Cladribin) Anwendung die Proliferation aktiver und darunter vorzugsweise autoreaktiver Immunzellen – und unterscheiden sich vor allem in der Selektivität adressierter Immunzellen und der Anwendung. Aus der Transplantationsmedizin entliehen, ist das Azathioprin hier als First-in-Class-Substanz zu betrachten, auch wenn es nicht in modernen Kriterien erfüllenden, großen randomisiert-kontrollierten Zulassungsstudien untersucht worden ist. Ein Nachzulassung für die Behandlung der schubförmigen MS ist jedoch im Jahr 2000 auf dem Boden kumulativer Evidenz erfolgt, sodass es als Reservemedikament on-label eingesetzt werden kann. Es handelt sich aber auch bei Teriflunomid und Cladribin nicht um genuin neue Substanzen: Teriflunomid ist der aktive Metabolit von Leflunomid, das für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis und der aktiven Psoriasis-Arthritis seit 1999/2004 zugelassen ist und seit 2010 auch als Generikum zur Verfügung steht. Cladribin ist in subkutaner Anwendung für die Behandlung der Haarzellleukämie zugelassen. Erste klinische Ergebnisse zur Wirksamkeit bei der MS bei intravenöser oder subkutaner Anwendung lagen schon seit Ende der 1990er Jahre vor und bildeten auch die Grundlage für die Dosisfindung der für die MS entwickelten oralen Darreichungsform.
Die Gruppe der antimigratorisch wirksamen Medikamente umfasst das Natalizumab und die S1P-Rezeptor-Modulatoren. Natalizumab, das seit 2005/2006 auf dem Markt ist, bindet an die alpha4-Integrin-Untereinheit auf Lymphozyten und hemmt damit deren Transmigration über die Blut-Hirn-Schranke in das ZNS. Es gehört zu den potentesten Optionen in der MS-Therapie und ist in seiner Entwicklung von der Idee bis in die klinische Anwendung sicher ein paradigmatisch innovatives Medikament – selbst wenn die Kehrseite der Behandlung, nämlich das Risiko, eine seltene Virusinfektion des ZNS (PML = progressive multifokale Leukenzephalopathie) als Komplikation der Behandlung zu entwickeln, eine unvorhergesehene und erst nach einer breiteren Anwendung zu lernende Lektion war. Auch Fingolimod stellte eine „echte“ Innovation dar. Die Wirkung wird über eine Blockade von Sphingosin-1-Phosphat-(S1P-)Rezeptoren erzielt, die zu einer funktionellen Sequestration von (u. a. autoreaktiven) Lymphozyten in Lymphknoten führt. Wesentlicher Nachteil von Fingolimod ist, dass die von der Substanz adressierten S1P-Rezeptoren auch an Signalwegen der Herzrhythmusregulation beteiligt sind, sodass passager bradykarde Herzrhythmusstörungen auftreten können. Die zwei Nachfolgesubstanzen Ozanimod und Ponesimod sind wegen einer etwas spezifischeren Rezeptorselektivität bezüglich der kardialen Nebenwirkungen deutlich einfacher zu handhaben, aber nicht nebenwirkungsfrei, sodass nicht von reinen „Me-too“-Präparaten gesprochen werden kann. Ob sich die drei Substanzen auch in ihrer Wirksamkeit bei der MS voneinander unterscheiden, ist allerdings unklar. Des Weiteren gehört Siponimod zu der Gruppe der S1P-Rezeptor-Modulatoren. Ursprünglich als Nachfolgepräparat von Fingolimod in der Indikation der schubförmigen MS entwickelt, erfolgte die zulassungsrelevante Phase-III-Studie dann in der Indikation der sekundär progredienten MS. Hier ließ sich eine Wirksamkeit nachweisen, auch wenn der Effekt wesentlich durch Patientinnen und Patienten mit Schüben und MRT-Aktivität getrieben war. Inwieweit tatsächlich eine innovative Wirkung auf die progredienten Anteile der Krankheitsverläufe besteht, ist im Wesentlichen offen.
Klar innovativ war die Entwicklung von therapeutischen Antikörpern, die zu einer Zelllyse führen. Hierzu gehört zum einen das Alemtuzumab – ein Antikörper gegen CD52, der zu einer Depletion von vornehmlich T- und B-Zellen führt. Alemtuzumab war für die Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) zugelassen, wurde jedoch für diese Indikation vom Markt genommen, um es für die Indikation MS zu einem anderen Preis zu entwickeln. Die Innovation liegt in der Idee, allein medikamentös einen „Reset“ des individuellen Immunzellrepertoires durchzuführen, mit im besten Falle anhaltend ausbleibender autoimmuner Aktivität. Gleichermaßen fortschrittlich war die Evaluation B-Zell-depletierender Antikörper, die für die Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen zur Verfügung standen. Hierbei zeigte sich, dass die Wirksamkeit der Therapie nicht etwa auf der Hemmung der Bildung pathologischer Antikörper beruht, sondern auf einer Unterbindung von B-/T-Zell-Interaktionen und dem Wegfall von B-Zellen als Antigen-präsentierende Zellen. Dieser Fortschritt basierte zunächst und ganz wesentlich auf akademisch durchgeführten Studien zur Anwendung von Rituximab, einem chimären CD20-Antikörper, der seit 1998 für die Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen zur Verfügung stand (inzwischen auch als Biosimilar), bei der schubförmigen und primär chronisch progredienten MS. In beiden Indikationen bis zur Zulassung entwickelt wurde jedoch Ocrelizumab, das sich vom Rituximab nur im Mechanismus der B-Zell-Lyse und einer mutmaßlich geringeren Immunogenität unterscheidet. Als erste subkutan zu verabreichende Therapie hat zuletzt das Ofatumumab eine Zulassung erhalten. Auch dieses Medikament gab es schon – es war in der EU bis 2019 für die Behandlung der CLL zugelassen und kam in dieser Indikation in deutlicher höherer Konzentration (und einem deutlich niedrigeren Preis pro mg) zur Anwendung und Abrechnung.
Repurposing, Me-too-Präparate und mehr oder weniger klare Pseudoinnovationen sind also durchaus Teil des Portfolios der aktuellen MS-Therapeutika. Garant einer langfristigen und exklusiven Anwendung von MS-Medikamenten ist aber nur die echte Innovation. Wenn man also nun einen solchen Mangel an pharmakologisch innovativen Substanzen anmahnen will: Gibt es auch einen solchen Mangel an Therapiekonzepten?
Das ist sicher zu verneinen, auch wenn es verfrüht ist, von einem echten therapeutischen Paradigmenwechsel in der Neurologie zu sprechen. Klar ist, dass die zur Verfügung stehenden Immunmedikamente vor allem in frühen Phasen der Erkrankung wirken. Klar ist damit auch, dass ein Therapieren nach einem klassischen reinen Eskalationsprinzip – also „sanft“ zu beginnen und nachzusteuern, wenn die Erkrankung aktiv bleibt – leicht Gefahr läuft, der Erkrankung zum Nachteil der Patientinnen und Patienten hinterherzulaufen. Eine möglichst potente Therapie von Anfang an wäre vielmehr eine logische Konsequenz, also ein Therapieren nach dem Prinzip hit hard and early. Dies lässt aber den individuellen Krankheitsverlauf und die Risiken einer hochaktiven Therapie außer Acht. Auch sind Therapieansätze, die quasi kurativ einen „Reset“ des Immunsystems versuchen und als Immunrekonstitutionstherapien verschlagwortet sind (z. B. Alemtuzumab, Cladribin; letztlich aber die immer mehr zur Anwendung kommende autologe Stammzelltransplantation (aHSCT)), langfristig oft nur inkomplett wirksam (Cladribin, Alemtuzumab) oder führen zu neuen Autoimmunphänomenen als mögliche Komplikation (Alemtuzumab).
Vor diesem Hintergrund ist die früher gepflegte Einteilung der medikamentösen Behandlung in eine Basistherapie und eine Eskalationstherapie zwar inzwischen sicher obsolet; um aber bei einer von Beginn individuell passenden/ausreichend hoch aktiven Therapie im Sinne eines treat to target anzukommen, ist der Weg noch lang. Um dieses Dilemma zwischen Wirksamkeit, Sicherheit und individuellem Bedarf zu lösen, bedarf es erst weiterer klinischer Marker oder Biomarker, die diese Differenzierung besser erlauben und eine präzisere Abschätzung des individuellen Risikos einer Krankheitsprogression ermöglichen.

9.2.3 MS-Immuntherapeutika im AMNOG-Verfahren

Sowohl die in der Entwicklung von MS-Immuntherapeutika gepflegten Strategien als auch das Problem, wie „Wirksamkeit“ der Medikamente operationalisiert oder auch schlicht nur messbar gemacht werden kann, schlagen sich auch in der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V („AMNOG“-Verfahren) nieder: So sind manche in der MS neu oder wieder zum Einsatz kommende Medikamente von vornherein gar nicht bewertungspflichtig, weil sie im Rahmen des Verfahrens eben gerade nicht als neue Medikamente angesehen werden. Und für die Medikamente, die einer Bewertung unterzogen werden, gestaltet sich die Formulierung einer zweckmäßigen Vergleichstherapie meist schwierig, denn direkte Vergleiche head-to-head sind selten. Dieses Ringen um die zweckmäßige (und meist nur indirekt oder metaanalytisch in Beziehung zu setzende) Vergleichstherapie ist dabei sowohl für das pharmazeutische Unternehmen als auch das IQWiG schwierig und ex ante schwer zu befördern. Insofern nimmt es nicht Wunder, dass die in diesem Verfahren konstatierten Zusatznutzen oft gering oder lückenhaft sind (siehe Tab. 9.2). Ob dies der klinischen Realität entspricht oder der Schwierigkeit des Verfahrens geschuldet ist, muss häufig offenbleiben.
Tab. 9.2
Zusatznutzen der MS-Immuntherapeutika
Beurteilter Zusatznutzen
Zweckmäßige Vergleichstherapie
Ausmaß und Wahrscheinlichkeit eines Zusatznutzens
Teriflunomid (Beschluss vom 30.03.2014a)
Erwachsene Patienten mit schubförmig-remittierender MS.
Beta-Interferon (IFN-β) 1a oder IFN-β 1b oder Glatirameracetat unter Beachtung des jeweils zugelassenen Anwendungsgebietes.
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Beschluss vom 20.01.2022b: Kinder und Jugendliche von ≥ 10 bis < 18 Jahren mit schubförmig-remittierender MS (Neues Anwendungsgebiet)
Kinder und Jugendliche von ≥ 10 bis < 18 Jahren mit schubförmig-remittierender MS, die bislang noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten haben oder mit krankheitsmodifizierender Therapie vorbehandelte Kinder und Jugendliche, deren Erkrankung nicht hochaktiv ist.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat, unter Berücksichtigung des Zulassungsstatus.
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Dimethylfumarat (Beschluss vom 16.10.2014c)
Erwachsene Patienten mit schubförmig remittierender MS.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat.
… gegenüber Beta-Interferon 1a:
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Fingolimod:
Beschluss vom 19.05.2016 d: Patienten mit hochaktiver schubförmig-remittierender MS, die nicht auf einen vollständigen und angemessenen Zyklus mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie angesprochen haben, …
a) … für die in einer patientenindividuellen Bewertung unter Berücksichtigung der klinischen Gesamtsituation, insbesondere der Schwere der Schübe, eine Umstellung in Abhängigkeit von der Vortherapie oder ggf. eine Fortführung bzw. Anpassung der vorangegangenen Therapie in Frage kommt.
Glatirameracetat oder Interferon-beta (IFN-β) 1a oder 1b, Umstellung in Abhängigkeit von der Vortherapie, ggf. Fortführung bzw. Anpassung der vorangegangenen Therapie.
… gegenüber IFN-β 1a:
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
b) … für die in einer patientenindividuellen Bewertung unter Berücksichtigung der klinischen Gesamtsituation, insbesondere der Schwere der Schübe, ein Wechsel auf eine Eskalationstherapie die Therapieform ist.
Patientenindividuelle Therapie unter Berücksichtigung der Vortherapie und der Zulassung.
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Beschluss vom 01.10.2015e:
Patienten mit rasch fortschreitender schwerer schubförmig-remittierend verlaufender MS.
Glatirameracetat oder Beta-Interferone 1a oder 1b.
… gegenüber Interferon-β 1a:
Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen.
Beschluss vom 20.06.2019f: Kindern und Jugendliche ab einem Alter von 10 Jahren (Neues Anwendungsgebiet)
Kinder und Jugendliche von ≥ 10 bis < 18 Jahren mit hochaktiver schubförmig-remittierender MS trotz Behandlung mit einem vollständigen und angemessenen Zyklus mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie, …
a1) … für die eine Eskalation der Therapie angezeigt ist.
Therapie nach Maßgabe des Arztes
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
a2) … für die ein Wechsel innerhalb der Basistherapeutika angezeigt ist.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat, unter Berücksichtigung des Zulassungsstatus
… gegenüber Interferon beta-1a:
Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen.
Kinder und Jugendliche von ≥ 10 bis < 18 Jahren mit rasch fortschreitender schwerer schubförmig-remittierend verlaufender MS, definiert durch zwei oder mehr Schübe mit Behinderungsprogression in einem Jahr, und mit einer oder mehr Gadolinium-anreichernden Läsionen im MRT des Gehirns oder mit einer signifikanten Erhöhung der T2-Läsionen im Vergleich zu einer kürzlich durchgeführten MRT …
b1) …, die bislang noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten haben.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat, unter Berücksichtigung des Zulassungsstatus
… gegenüber Interferon beta-1a:
Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen.
b2) … trotz krankheitsmodifizierender Therapie.
Therapie nach Maßgabe des Arztes
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Cladribin: Beschluss vom 17.05.2018g
a) Patienten, die bislang noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten haben.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat unter Berücksichtigung der Zulassung
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
b) Patienten mit hochaktiver Erkrankung trotz Behandlung mit einer krankheitsmodifizierenden Therapie.
Alemtuzumab oder Fingolimod oder Natalizumab oder, sofern angezeigt, Wechsel innerhalb der Basistherapeutika (Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat unter Berücksichtigung der Zulassung)
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Ocrelizumab: Beschluss vom 02.08.2018h
a) Erwachsene Patienten mit schubförmiger MS mit aktiver Erkrankung, die bislang noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten haben oder mit krankheitsmodifizierender Therapie vorbehandelte erwachsene Patienten, deren Erkrankung nicht hochaktiv ist.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat unter Berücksichtigung der Zulassung
… gegenüber Interferon beta-1a:
Beleg für einen geringen Zusatznutzen.
b) Erwachsene Patienten mit schubförmiger MS mit hochaktiver Erkrankung trotz Behandlung mit einer krankheitsmodifizierenden Therapie:
Alemtuzumab oder Fingolimod oder Natalizumab oder, sofern angezeigt, Wechsel innerhalb der Basistherapeutika (Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat unter Berücksichtigung der Zulassung)
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
c) Erwachsene Patienten mit früher primär progredienter MS, charakterisiert anhand der Krankheitsdauer und dem Grad der Behinderung, sowie mit Bildgebungsmerkmalen, die typisch für eine Entzündungsaktivität sind:
Best-Supportive-Care
Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen.
Siponimod: Beschluss vom 20.08.2020i
a) Erwachsene Patienten mit sekundär progredienter MS mit aktiver Erkrankung, definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität, mit aufgesetzten Schüben.
Interferon-beta 1a oder Interferon-beta 1b oder Ocrelizumab
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
b) Erwachsene Patienten mit sekundär progredienter MS mit aktiver Erkrankung, definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität, ohne aufgesetzte Schübe.
Best-Supportive-Care
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Ozanimod: Beschluss vom 07.01.2021j
a) Erwachsene Patienten mit schubförmig remittierender MS mit aktiver Erkrankung, die bislang noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten haben oder mit krankheitsmodifizierender Therapie vorbehandelte erwachsene Patienten, deren Erkrankung nicht hochaktiv ist.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat oder Ocrelizumab unter Berücksichtigung der Zulassung.
… gegenüber Interferon beta-1a:
Hinweis für einen geringen Zusatznutzen.
b) Erwachsene Patienten mit schubförmig remittierender MS mit hochaktiver Erkrankung trotz Behandlung mit einer krankheitsmodifizierenden Therapie.
Alemtuzumab oder Fingolimod oder Natalizumab
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Ponesimod: Beschluss vom 19.05.2022k
a1) Erwachsene mit schubförmiger MS, die bislang noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten haben oder mit krankheitsmodifizierender Therapie vorbehandelte Erwachsene, deren Erkrankung nicht hochaktiv ist; EDSS-Score ≤ 3,5.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat oder Dimethylfumarat oder Teriflunomid oder Ocrelizumab unter Berücksichtigung der Zulassung.
… gegenüber Teriflunomid:
Hinweis für einen geringen Zusatznutzen.
a2) Erwachsene mit schubförmiger MS, die bislang noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten haben oder mit krankheitsmodifizierender Therapie vorbehandelte Erwachsene, deren Erkrankung nicht hochaktiv ist; EDSS-Score > 3,5.
Interferon beta-1a oder Interferon beta-1b oder Glatirameracetat oder Dimethylfumarat oder Teriflunomid oder Ocrelizumab unter Berücksichtigung der Zulassung.
… gegenüber Teriflunomid:
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Diroximelfumarat: Beschluss vom 16.06.2022l:
Verfahren ausgesetzt.
Besonders interessant wird es nun, wenn sich die Nutzenbewertung jetzt erstmals über mehrere Medikamente hinweg erstrecken soll: Im Juli 2020 wurde das IQWiG mit einer vergleichenden Nutzenbewertung nach § 139a Abs. 3 SGB V von Alemtuzumab, Cladribin, Dimethylfumarat, Fingolimod, Natalizumab, Ocrelizumab und Teriflunomid zur Behandlung der MS beauftragt,1 und dieser Auftrag wurde im November 2021 folgerichtig noch um die neu auf den Markt gekommenen Substanzen Ofatumumab, Ozanimod und Ponesimod erweitert.2 Konkreter Bewertungsgegenstand ist die Behandlung von „Patienten mit hochaktiver Erkrankung trotz vollständiger und angemessener Behandlung mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie“3 unter Beachtung der jeweiligen Zulassung.
So sinnvoll es auch ist, die differenzielle Immuntherapie der MS entlang der Krankheitsaktivität zu bewerten, so sehr ist leider auch zu bezweifeln, dass diese Fragestellung belastbar zu beantworten ist. Denn schon rein formal ist durchaus vorstellbar, dass ein im Sinne der Fragestellung festzustellender Nutzen sich nicht mit der bestehenden (bei z. B. Fingolimod oder Natalizumab bis heute sehr konkret geregelten) Zulassung vereinbaren lässt. Viel wichtiger ist jedoch das Eingeständnis, dass der Begriff einer hochaktiven Erkrankung bis heute nicht verbindlich und „allseits“ anerkannt definiert ist.
Der Berichtsplan des IQWiG4 stellt hierzu fest:
„Eine allgemein anerkannte Definition hochaktiver RRMS existiert derzeit nicht. Darüber hinaus existieren weitere verschiedene Begrifflichkeiten, z. B. aggressive und maligne MS, die ebenfalls unscharf definiert sind und jeweils eine Teilmenge der RRMS abbilden. Auch in der aktuellen S2-Leitline der Deutschen Gesellschaft für Neurologie erfolgt eine Definition der hochaktiven RRMS lediglich für therapienaive Patientinnen und Patienten.“
… und sieht für die vorzunehmende Bewertung eigene klinische Definitionen und eine rein MRT-basierte Definition vor. Gerade die rein MRT-basierte Definition wird sicher unter MS-Expertinnen und Experten kontrovers diskutiert werden – dessen ungeachtet sind die Ergebnisse der Bewertung aber sicher mit Spannung zu erwarten.

9.2.4 Was ist Betroffenen wichtig?

Neben Unterschieden in der Wirksamkeit der einzelnen Medikamente unter optimalen Bedingungen bleibt natürlich die Frage, inwieweit diese Medikamente in der Realität von Patientinnen und Patienten auch wirklich angewendet oder nach welchen Kriterien sie bevorzugt werden.
Hierzu seien schlaglichtartig zwei kürzlich erschienene Publikationen betrachtet:
Braune und Kollegen haben für den Zeitraum von 2010 bis 2018 die Daten zur Therapieadhärenz von Patientinnen und Patienten, die von einem Netzwerk niedergelassener deutscher Neurologen betreut wurden, ausgewertet. Hier zeigte sich, dass der Anteil an MS-Patienten, die eine Immuntherapie erhalten haben, in diesem Zeitraum erfreulich stetig zunahm. Die Adhärenz bzw. Persistenz war jedoch über den gesamten Zeitraum erstaunlich gering: Gut 40 % der Patienten hatten ihre Therapie nach drei Jahren abgebrochen, wobei die oralen Therapien besser abschnitten als die zu injizierenden und die Infusionstherapien nur in den letzten Jahren (2016 bis 2018) noch besser abschnitten (Braune et al. 2021). Im Kontrast zur Diskussion um die „richtige“ Therapieintensität, die auf ärztlicher Seite geführt wird und auf der Erkenntnis aufbaut, dass eine kontinuierliche Therapie immer notwendig ist, lassen diese Daten vermuten, dass allein schon dieses Junktim von den Betroffenen selbst nicht immer leicht durchzuhalten ist.
Dabei spielen für die Betroffenen natürlich verschiedene Faktoren eine Rolle – wichtig sind dabei neben der Wirksamkeit und Sicherheit auch die präferierte Applikationsform: Für die immunmodulatorische Therapie der MS stehen Medikamente zur Injektion, als Tablette oder als Infusion zur Verfügung – aktuell sind es acht Injektionstherapien, acht orale Therapien und drei Infusionstherapien mit ganz unterschiedlichen Anwendungsintervallen (siehe Tab. 9.1). In einem sogenannten discrete choice experiment haben nun Bauer und Kollegen fast 500 Patienten aus Ländern mit einer hohen Krankheitsprävalenz (Australien, Kanada, Deutschland, Schweiz und Vereinigte Staaten) entscheiden lassen, welche Attribute einer hypothetischen Therapie bezüglich Applikationsform und Anwendungshäufigkeit, Reduktion der Schubrate, Risiko der Behinderungsakkumulation und Sicherheit ihnen wichtig sind. Es zeigte sich, dass der Gesamtgruppe die Attribute der Applikation/Anwendungshäufigkeit und der Sicherheit wichtiger waren als Schubratenreduktion und Behinderungsprogression (= Wirksamkeit). Bei Patientinnen und Patienten, die real eine orale oder eine intravenöse Therapie erhielten, stand im fiktiven Experiment die Applikationsform und das Dosierungsintervall an erster Stelle, bei denen mit subkutan anzuwendenden Präparaten die Sicherheit. Verglich man Patienten mit einer Krankheitsdauer von weniger bzw. mehr als zahn Jahren Krankheitsdauer, zeigte sich, dass Sicherheitsaspekte bei den kürzer Erkrankten im Vordergrund standen (Bauer et al. 2020). Bei aller Diskussion um die Therapieeffektivität sind Sicherheitsbedenken oder „Risikobereitschaft“ und Applikation aus Patientensicht ebenso wichtige Kriterien für die Wahl der individuell besten Therapie.

9.2.5 Treat to target: Kontroverse um die neue Leitlinie

2021 hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie die S2k-Leitlinie „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen“ (Hemmer et al. 2021; AWMF-Registernummer 030/050) veröffentlicht. In dieser vollständigen Überarbeitung der zuletzt 2014 erschienenen S2-Leitlinie hat es sich ein neues Autorinnen- und Autorenteam zur Aufgabe gemacht, Therapieempfehlungen zu konsentieren, die den Patientenwunsch gleichermaßen wie das medizinisch Machbare in den Mittelpunkt stellen – wohl wissend, dass einige der adressierten Therapiefragen (noch) nicht völlig evidenzbasiert zu beantworten sind.
Wesentliche Empfehlungen/„Leitplanken“ der Leitlinie sind:
  • Eine Immuntherapie ist unmittelbar und prinzipiell nach Diagnose einer MS oder eines klinisch isolierten Syndroms (als deren Vorstufe) indiziert. Es kann aber, vor allem wenn eine entsprechende Patientenpräferenz besteht, ein Zuwarten unter engmaschiger Beobachtung vertretbar sein, wenn es Hinweise auf einen milden Verlauf gibt.
  • Es sollen realistische Therapieziele angestrebt und mit der Patientin oder dem Patienten besprochen werden. Hierzu gehören die Reduktion von klinischer Krankheitsaktivität (Schübe und Behinderungsprogression) und der Erhalt der Lebensqualität. Ein weiteres Ziel ist es, kernspintomographisch messbare subklinische Krankheitsaktivität zu verhindern.
  • Neben den zu erwartenden Therapieeffekten sollen auch Aspekte wie Verträglichkeit, Nebenwirkungsprofil und Langzeitsicherheit eine Rolle bei der Auswahl spielen.
  • Nach langjähriger Krankheit und langjährig unter Immuntherapie sistierter Krankheitsaktivität kann in Einzelfällen eine Beendigung der Therapie erwogen werden – dies aber nur im Bewusstsein, dass die noch bestehende Wirkung der Immuntherapie eben gerade die Voraussetzung für den stabilen Krankheitsverlauf war. Diese Entscheidung stellt wesentlich die langfristige Therapielast der Betroffenen in Rechnung und die Tatsache, dass die Wirksamkeit der Immuntherapeutika im Alter deutlich nachlässt.
  • Gemäß der in den Zulassungsstudien gemessenen Schubratenreduktion werden die verfügbaren Präparate in drei Wirksamkeitskategorien eingeteilt (siehe Abb. 9.1). Bei Hinweisen auf einen (hoch)aktiven Verlauf mit unbehandelt tendenziell schlechterer Prognose soll Patienten ein Präparat der Wirksamkeitskategorie 2 oder 3 angeboten werden.
Diese Empfehlungen spiegeln sowohl Leitbild als auch Angriffsflächen der neuen Leitlinie wider und stellen die bis heute bestehenden Evidenzlücken in der MS-Therapie exemplarisch dar. So ist zum Beispiel die Empfehlung, unter bestimmten Bedingungen eine Therapie noch nicht zu beginnen, dem Ziel geschuldet, dass eine Therapie nicht nur empfohlen sein muss, sondern auch für den „Anwender“ akzeptabel. Die bis heute hohen Abbruchraten in den ersten Monaten sprechen hier eine deutliche Sprache. Natürlich ist es aber gleichzeitig unter den Autoren der Leitlinie unbestritten, dass eine Therapie besser wirkt, je früher sie begonnen wird. Ähnliche Erwägungen gelten für den Therapieabbruch nach langjähriger Krankheitsstabilität, der Teil der therapeutischen Realität ist, also in einer Leitlinie adressiert werden muss. Nur wie sind reliable Kriterien für diese medizinischen Entscheidungen zu definieren? Kontrollierte Studien dazu stehen (noch) aus. Auch die vorgenommene Einteilung der Immuntherapien in drei Wirksamkeitskategorien ist ein Stück weit willkürlich – auch andere Kriterien hätten herangezogen werden können. Nichtsdestotrotz erlauben nur Vorschläge dieser Art, die Therapie der MS zu operationalisieren.
Entsprechend ist die Leitlinie sowohl in der im Rahmen der Leitlinienentwicklung vorgeschriebenen öffentlichen Konsultationsphase als auch in der ersten Zeit nach Erscheinen heftig diskutiert worden. Die Kritik reichte von einer zu weitreichenden Einmischung in die ärztliche Freiheit bis hin zu einer im wesentlichen therapiefeindlichen Grundfärbung der Leitlinie, die einen Rückschritt zu Lasten der Gesundheit der Patientinnen und Patienten bedeute (siehe hierzu exemplarisch die Diskussion in der Zeitschrift „Neurological Research and Practice“: Bayas et al. 2021; Kappos 2021; Wiendl et al. 2021).
Als sogenannte Living Guideline wird die Leitlinie nun jährlich aktualisiert – nicht zuletzt, um auch dieser Kritik Rechnung zu tragen und Empfehlungen nachschärfen zu können. Die reine Vielfalt der zur Verfügung stehenden Immuntherapeutika allein führt also keineswegs immer gleich zu klaren und allgemein anerkannten Verfahrensweisen, wie diese individuell anzuwenden sind.

9.2.6 Originatoren, Biosimilars und Generika

Eine weitere interessante Entwicklung auf dem Markt der MS-Immuntherapeutika ist, dass nun einige der sehr häufig verschriebenen Medikamente aus Sicht ihres Produktzyklus’ in die Phase der Degeneration eintreten: Sowohl für Dimethylfumarat als auch für Fingolimod kamen 2022 erste Generika auf den Markt. Auch für Natalizumab steht in Deutschland ein Biosimilar vor der Tür. Diese Entwicklung ist nicht völlig neu, steht doch mit Clift® seit 2017 ein biosimilares Glatirameracetat zur Verfügung, das jedoch lange aus patentrechtlichen Gründen nicht in allen Dosierungsintervallen wie der Originator angewendet werden konnte und auch preislich nicht wesentlich unter dem Originator liegt.
Ob die nun zur Verfügung stehenden Generika und kommenden Biosimilars ein Erfolg werden und wie sich der Markt verändern wird, hängt aber ohnehin nicht ausschließlich vom Preis ab. Denn die medikamentöse Behandlung der MS ist eine betreuungsintensive Therapie. Ausgehend von den Spritzenservices der ersten zu injizierenden Therapien haben alle pharmazeutischen Unternehmen über viele Jahre durch vielfältige Unterstützungs- und Beratungsangebote die Bindung der Patientinnen und Patienten an eine Marke betrieben. Image des Herstellers, Markenvertrauen, Sichtbarkeit und zielgruppenorientierte Begleitprogramme sind für die Akzeptanz einer Therapie von großer Bedeutung und machen Präparate nur schwer durch Ärztin, Arzt, Apothekerin oder Apotheker austauschbar. Ob dies nun ein Umdenken nach sich zieht, wer bei dieser Form der Patientenbetreuung der eigentliche Protagonist sein sollte oder wird (nämlich die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte) oder ob allein die Verfügbarkeit von Austauschpräparaten die Preisgestaltung und Wirtschaftlichkeit verändert, bleibt abzuwarten. Auch wird die Bedeutung der Generika und Biosimilars für die Wirtschaftlichkeitsvereinbarungen zwischen KVen und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durch z. B. Leitsubstanzen zu beobachten sein.
Schließlich mag die Diskussion über die Wirtschaftlichkeit der Generika und Biosimilars auch noch eine andere Perspektive öffnen – die des Einsatzes von (günstigen) Substanzen im Off-Label-Use (OLU). Prominentes Beispiel dafür ist die Anwendung von Rituximab, das selbst auch als Biosimilar zur Verfügung steht und die sehr erfolgreiche B-Zell-Therapie der MS begründet hat. Über das Instrument des Selektivvertrags kann zumindest die Refinanzierung einer solchen alternativen Therapie sichergestellt werden. Ein Beispiel dafür ist der 2022 zwischen den neurologischen Berufsverbänden und den Ersatzkassen ausgehandelte MS-Modulvertrag, der neben einer Vielzahl anderer Instrumente zur Verbesserung der ambulanten Versorgung MS-Betroffener auch den OLU von Rituximab vereinfacht.5

9.3 Wie gut sind Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte bzw. weitere Leistungserbringende in Deutschland informiert?

Systematische Untersuchungen zum Wissensstand bezüglich der Immuntherapeutika bei Neurologinnen, Neurologen, Patientinnen und Patienten in Deutschland liegen unserer Kenntnis nach nicht vor. Eine sehr aktuelle Arbeit aus den USA zeigt aber z. B. deutliche Wissenslücken bei Neurologinnen und Neurologen bei der korrekten Anwendung der für die Diagnose der MS so wichtigen McDonald-Kriterien, konkret bei der dabei durchgeführten Läsionsbeurteilung in der MRT (Solomon et al. 2022). Ob deutsche Ärztinnen und Ärzte hier besser abschneiden, ist nicht belegt. Zumindest darf man aber davon ausgehen, dass die Verordnenden sich durch Leitlinien und zahlreiche Informationsveranstaltungen und Fachvorträge, vor allem auf großen deutschen und internationalen Kongressen (DGN, DGKN, EAN, ECTRIMS etc.), gut mit der Indikation und dem klinischen Monitoring der MS-Immuntherapeutika auskennen. Weniger gut bekannt sein dürften die o. g. erheblichen Limitationen der klinischen Studien bzw. der darin untersuchten Präparate. Hoch problematisch ist hier der Bias des Angebots, etwa bei produktbezogenen/-„freundlichen“ Satellitensymposien auf großen Kongressen. Versuche einer kleinen kritischen Gegenöffentlichkeit in der Ärzteschaft, etwa der „Neurology-First“-Initiative, hier zu einer Korrektur zu kommen und mehr unabhängige Fortbildungsformate zu etablieren, sind bislang gescheitert bzw. durch Delegation des Problems in langatmige Gremienarbeit ausgebremst worden (Lempert et al. 2018).
Bezüglich der Betroffenen konnte vor wenigen Jahren in mehreren europäischen Ländern ein erschreckend geringes Wissen zu den Risiken der MS-Therapie gezeigt werden (Giordano et al. 2018). Hier ist also Schulung und Information notwendig. Ein Ansatz, der sich hierzu erfreulicherweise entwickelt, ist die Entwicklung produktunabhängiger Informationen für Betroffene einschließlich expliziter Patientenedukationsprogramme. Das Ziel ist hier unter anderem, das Wissen der Betroffenen zur korrekten Interpretation von Wirksamkeitsdaten der Immuntherapeutika bei MS zu verbessern, etwa zu den Begriffen „absolute/relative Risiko-/bzw. Schubratenreduktion“. Ähnliche Ansätze werden zur Bedeutung der MRT bei der MS betrieben (Freund et al. 2022). Diese Initiativen sind absolut zu begrüßen, ist es doch mittlerweile unstrittig, dass Patientinnen und Patienten bei jeder Therapieentscheidung im Sinne eines Shared Decision-Making einzubeziehen sind. Es wäre zu wünschen, dass die Implementierung dieser Evidenz-basierten Informationen für Betroffene auch entsprechend verordnet bzw. über die GKV erstattungsfähig werden könnte, da der Zeitaufwand der Vermittlung doch erheblich sein kann. Andererseits darf erwartet werden, dass besser informierte Patientinnen und Patienten für sich selbst bessere (besser tragfähige) Therapieentscheidungen treffen, Umwege vermeiden und möglicherweise somit Kosten gespart würden.

9.4 Was kann verbessert werden?

In der Arzneimittelversorgung der Multiplen Sklerose sind in den letzten Jahrzehnten erstaunliche Fortschritte gemacht worden, was als großes Verdienst aller Stakeholder anzuerkennen ist. Raum und Bedarf für Verbesserungen gibt es aber immer:
  • Aus Sicht der Betroffenen wäre es wünschenswert, dass die Behandlung mit hochwirksamen, oft aber auch mit Risiken behafteten Immuntherapeutika in der Hand von Expertinnen und Experten liegt, die mit der Krankheit MS und dem Management der zahlreichen Präparate und ihrer Nebenwirkungen vertraut sind. Diese Empfehlung wird auch in der neuen Leitlinie der European Academy of Neurology (EAN) und des European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) ausgesprochen (Amato 2022). Damit sollte sich die Behandlung MS-Betroffener aber nicht auf wenige Expertinnen und Experten sowie Zentren beschränken – vielmehr muss die Aufgabe sein, die Breite der MS-Patientinnen und -Patienten behandelnden Ärztinnen und Ärzte fortlaufend zu Experten zu qualifizieren.
  • Studien in anderen Ländern haben dabei als Problem die sogenannte therapeutic inertia beschrieben – vielleicht am besten mit „therapeutischer Unbeweglichkeit“ oder „therapeutischem Verharren“ zu übersetzen. Die Verfügbarkeit einer zunehmenden Zahl von Immuntherapeutika zur Behandlung der MS mit immer mehr zu beachtenden Details zu spezifischem Monitoring, Nebenwirkungen etc. macht die ohnehin schon komplexen Therapieentscheidungen tendenziell noch komplizierter und unübersichtlicher – Neurologinnen und Neurologen müssen sorgfältig abwägen zwischen Krankheitsaktivität, persönlicher Risikobereitschaft und Risikowissen bei den zu Behandelnden, deren Lebensumständen, Familienplanung, Begleiterkrankungen und dem Nebenwirkungsprofil der Immuntherapeutika. Therapeutic inertia meint in diesem Kontext, dass viele Ärztinnen und Ärzte zum Erhalt des Status quo neigen, was bedeutet, dass Behandlungsentscheidungen unterbleiben oder verzögert werden, selbst wenn Behandlungsziele nicht erreicht sind. Dies kann sich erheblich zum Nachteil der zu Behandelnden auswirken. Initiativen, dieses Verhalten durch gezielte Interventionen abzubauen, sind unlängst auf den Weg gebracht worden (Langer-Gould et al. 2021; Saposnik et al. 2019).
  • Gleichermaßen zu wünschen sind alle Aktivitäten zur Wissensvermittlung an Patientinnen und Patienten, etwa über die Risiken der MS, der Immuntherapie und das Monitoring der Erkrankung z. B. mittels MRT. Dies ist zeitaufwendig und kommt daher in sehr vollen Praxen oft zu kurz, solange keine speziellen Ressourcen dafür vorgehalten werden. Daher sollten diese Aufwände über die Versicherungen abgerechnet werden können. Der finanzielle Mehraufwand wird sich mutmaßlich nach wenigen Jahren mehr als rechnen, da besser informierte Patientinnen und Patienten gemeinsam mit ihren Ärztinnen und Ärzten tragfähigere Therapieentscheidungen treffen.
  • Für die Verbesserung der Qualität prospektiver klinischer Studien und der Relevanz der Ergebnisse für die Betroffenen wäre es zu begrüßen, wenn patienten-relevante bzw. patienten-berichtete Endpunkte (sogenannte PROs – patient reported outcomes) zwingend zumindest als sekundäre Endpunkte in klinischen Studien erhoben würden und positive Effekte auf diese Endpunkte Voraussetzung für eine Zulassung wären.
  • Wesentliche Schwächen hat die Arzneimittelversorgung der Multiplen Sklerose darüber hinaus bei der Generierung von Real-World-Daten, die aber eine bessere Steuerung erlauben würden. Wirklich etabliert ist die Sammlung von Daten zur Behandlung mit Immuntherapeutika leider nur über das Instrument der sogenannten „Anwendungsbeobachtungen“, die von der pharmazeutischen Industrie durchgeführt werden. Aus Sicht der Autoren gehören diese abgeschafft, da hier in der Regel nur die Verordnungsbereitschaft und Persistenz für bestimmte Präparate über eine in der Regel üppig honorierte Sammlung minderwertiger klinischer Daten erhöht oder unterhalten wird.
    Um zu sehen, wie es besser gemacht werden kann, lohnt ein Blick zu unseren Nachbarn: In skandinavischen Ländern wie Dänemark oder Schweden gibt es seit vielen Jahren exzellente MS-Register, in denen annähernd jede Patientin oder jeder Patient mit einer MS-Diagnose und Immuntherapie erfasst wird – und zwar über alle Präparate hinweg und unabhängig von der pharmazeutischen Industrie. Diese umfassenden Daten haben gerade in den letzten Jahren wesentliche Erkenntnisse zu diversen Immuntherapiestrategien geliefert, die mangels echter Head-to-Head-Studien ansonsten nicht hätten verglichen werden können.
    Eine möglichst vollständige Erfassung aller MS-Erkrankten und ihrer Immuntherapien in einem flächendeckenden Register auch in Deutschland würde eine exzellente Möglichkeit zur Durchführung von klassischen Register-Studien, Register-basierten RCTs (randomized controlled trial) oder auch neuen Studiendesigns, die nichtinterventionell auf real world evidence beruhen, aber ein RCT nachempfinden (sogenannte emulierte RCTs), darstellen (Franklin et al. 2021; Hernán und Robins 2016). Dies würde helfen, Evidenz zu Wirkungen, Nebenwirkungen und Sicherheit von Immuntherapeutika außerhalb des sehr artifiziellen Settings kontrollierter klinischer Studien zu generieren und so etwa Signale zu selteneren Nebenwirkungen zu detektieren, die Langzeitwirksamkeit zu untersuchen, Immuntherapeutika in Populationen mit Komorbiditäten und Komedikationen zu beobachten – um nur einige Fragestellungen zu nennen. Auch das IQWiG sieht in der Erfassung versorgungsnaher Daten Chancen, die Nutzenbewertung von Arzneimitteln zu verbessern (IQWiG 2020). Derartige Registerdaten könnten zudem helfen, viele der nach wie vor in den Leitlinien offenen Fragen zu beantworten, etwa nach Markern zur Prognoseabschätzung und Risikostratifizierung.
    Wie immer offen ist die Frage, wie ein solches Register zu finanzieren und wo es anzusiedeln wäre. Dabei gibt es bereits seit vielen Jahren ein von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG e. V.) betriebenes Register, das mit einigem Aufwand für diese Zwecke erweitert werden könnte.
  • Aus Sicht der klinischen Forschung ist es misslich, dass praktisch alle Studien zur Arzneimitteltherapie bei MS von der pharmazeutischen Industrie durchgeführt werden. Die Fördermechanismen zur Unterstützung sog. Forscher-initiierter Studien (IIT, investigator initiated trials) sind in Deutschland unterentwickelt, sowohl was die inhaltliche Breite der Programme angeht als auch das hierfür zur Verfügung stehende finanzielle Volumen. Diese Situation sollte verbessert werden, damit echte Innovationen auch unabhängig von finanziellen Interessen der Industrie bei den Betroffenen ankommen.
  • Schließlich bleibt die Frage, welche Anreize die Entwicklung weiterer Arzneimittel für die Behandlung der MS steuern sollen. Während andere Länder Kosten und Nutzen in direktere pharmakoökonomische Beziehung setzen und die Kostenübernahme durch die Gemeinschaft strenger davon abhängig machen (Beispiel Großbritannien/NICE), sind die deutschen Verhältnisse mit dem isolierten und manchmal etwas zahnlosen Vergleich der neuen Einzelsubstanz mit einer bereits vorhandenen Therapie klarer kalkulierbar, befördern aber nicht unbedingt die Risikobereitschaft, echte Innovationen für die weiterhin bestehenden medical needs der MS-Behandlung zu entwickeln. Wenn Me-too-Präparate und Repurposing zu Medikamenten mit wirtschaftlich interessanten Preisen führen, wird – bei allem in den letzten Jahrzehnten für unsere MS-Patientinnen und Patienten Erreichten – weiterer Fortschritt womöglich länger auf sich warten lassen.

9.5 Fazit

Was wäre also zu wünschen? Hinsichtlich der Entwicklung neuer Arzneien wären Präparate mit klarem Effekt auf die Neurodegeneration, die klinisch die schubunabhängige Progression und die kognitive Verschlechterung günstig beeinflussen, sowie Arzneien mit regenerativem oder remyelinisierendem Potenzial von großer Wichtigkeit. Ein weiterer Punkt mit erheblichem Verbesserungspotenzial ist die Bewertung der Wirksamkeit von MS-Arzneimitteln – zugegeben eine große Herausforderung bei einer so komplexen und heterogen verlaufenden Erkrankung wie der MS. Abzuhelfen wäre dem Fehlen von Vergleichsstudien der Arzneimittel untereinander, dem Fehlen einer konsentierten und prospektiv validierten Definition einer hochaktiven Erkrankung sowie vor allem dem Fehlen von Daten bezüglich der Langzeitrisiken für die erst vor wenigen Jahren zugelassenen Präparate. Auch das Einbeziehen der Bedürfnisse der Betroffenen in der Planung von Studien und deren Endpunkten ist bislang zu kurz gekommen. Da nicht alle Fragen in randomisierten kontrollierten Studien beantwortet werden können, ist die Weiterentwicklung vorhandener Register dringlich geboten, etwa um Evidenz zu Wirkung, Nebenwirkungen und Sicherheit von Immuntherapeutika ab der Zulassung und über längere Behandlungszyklen als in klinischen Studien zu generieren und diese Parameter in den größer werdenden Populationen mit Komorbiditäten und Komedikationen zu untersuchen. Gerade aufgrund der Komplexität der Erkrankung und der zunehmenden Anforderungen an die Differenzialtherapie inklusive der Therapieüberwachung sind eine kontinuierliche Qualifizierung der Behandelnden, aber auch eine stärkere Patientenedukation zur Erkrankung MS und ihrer Behandlungsmöglichkeiten zu fordern. Idealerweise wird damit die Behandlung der MS in der Hand von Expertinnen und Experten liegen – sowohl von ärztlicher Seite als auch seitens der Erkrankten.
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Metadaten
Titel
Arzneimittelversorgung bei Multipler Sklerose
verfasst von
Prof. Dr. Friedemann Paul
Prof. Dr. med. Achim Berthele
Copyright-Jahr
2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66041-6_9

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