Apps- und Fitnesstracker dokumentieren MS-Verlauf

Ein Schrittzähler erfasst den MS-Verlauf oft präziser als der EDSS-Wert, App-basierte MS-Tagebücher können vor einem anstehenden Schub warnen oder per Selbsttest Veränderungen der Mobilität messen. Allerdings hat die Technik auch ihre Tücken. Möglich ist heute schon viel: Mit ihrem Handy tragen MS-Kranken ein Gerät mit sich herum, das Bewegungsdaten erfasst. Über entsprechende Apps ist auch der 25-Fuß-Gehtest möglich, selbst Armbewegungen lassen sich dokumentieren. Häufig genug angewandt, liefern solche Selbsttests hochauflösende Bewegungsprofile, die weit mehr aussagen als ein EDSS-Assessment einmal im Jahr in der Arztpraxis oder der Klinik. Davon geht jedenfalls Professorin Letizia Leocani vom Ospedale San Raffaele in Mailand aus. Selbst ein simples Symptomtagebuch, organisiert über eine App, kann eine Krankheitsverschlechterung dokumentieren, die auf einen nahenden Schub deutet. Auf der Frühjahrstagung der amerikanischen MS-Gesellschaft ACTRIMS verwies Leocani auf eine Studie, bei der MS-Kranke täglich ihr Befinden und ihre MS-Beschwerden in eine Handy-App eintrugen. Schon drei Monate vor einem Schub nahm der Symptomscore plötzlich zu. Mit solchen Tagebüchern lässt sich offenbar eine subklinische Krankheitsaktivität erfassen. Wird diese über Biomarker wie NFL oder durch MRT-Aufnahmen bestätigt, können Ärztinnen und Ärzte mit einer rechtzeitigen Intervention, etwa über eine intensivierte Therapie, einen Schub vielleicht noch verhindern. Und nach einem Schub können sie anhand der Tagebücher feststellen, wie gut sich die MS-Symptome zurückbilden. Schlechtere Leistung bei hohen Temperaturen Einige dieser Apps bieten zudem Kognitionstests oder erinnern die Besitzer an die Einnahme ihre Medikamente, andere erfassen die Motorik, etwa durch Fingertippen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass externe Faktoren die Resultate erheblich beeinflussen. Leocani nannte eine Untersuchung aus den USA bei knapp 500 MS-Kranken: Hohe Umgebungstemperaturen, wenig Schlaf oder Stress führten zu einer erheblich schlechteren Leistung. Solche Faktoren sollten daher am besten miterfasst und berücksichtigt werden. Ein großes Problem von Symptomtagebüchern und Selbsttests ist jedoch die Ausdauer der MS-Kranken: Viele laden sich zwar rasch eine App herunter und spielen damit auch einige Zeit herum, sind jedoch auch schnell davon gelangweilt und löschen die Anwendung. In einer Untersuchung war dies im Median nach einer Woche der Fall. Die Apps müssten folglich attraktiver gestaltet werden, erläuterte die Neurologin. Spezielle Wearables fürs Gangbild Solche Probleme entfallen in der Regel mit passiven Anwendungen. Hier müssen MS-Kranke lediglich dazu gebracht werden, ein simples Gerät wie einen Fitness-Tracker bei sich zu haben – etwa als Armband oder integriert in eine Uhr. Schon mit kommerziell erhältlichen Schrittzählern lasse sich der Krankheitsverlauf in hoher Auflösung nachvollziehen, erläuterte Leocani anhand einer Analyse bei 99 MS-Kranken: Die Zahl der täglichen Schritte korrelierte sehr gut mit dem EDSS-Wert. Mehr noch: Bei fast allen MS-Kranken ging die Schrittzahl mit der Zeit zurück, auch bei solchen, deren EDSS-Wert über ein Jahr hinweg stabil blieb. „Die Schrittzahl könnte daher sensitiver für den MS-Verlauf sein als der jährlich gemessene EDSS-Wert“, sagte die Neurologin. Doch auch hier gilt: Externe Faktoren beeinflussen die körperliche Aktivität. So ging die per Fitness-Tracker erfasste Schrittzahl in einer Studie aus Italien in Regionen mit striktem Coronalockdown erheblich zurück, was wiederum nicht ohne Folgen blieb: In motorischen Untersuchungen hatte sich die Leistung von solchen MS-Kranken deutlich verschlechtert, die im Lockdown kaum noch einen Fuß vor die Tür setzten, dagegen blieb sie weitgehend konstant bei denjenigen, die sich weiterhin viel bewegten. Neben der Schrittzahl sind weitere Faktoren zum Monitoring relevant, etwa das Gangbild oder die Schrittgeschwindigkeit. Leocani verwies auf Studien mit dem „MoveMonitor“, ein für medizinische Zwecke entwickeltes 55 Gramm schweres Gerät, das an einem Gürtel getragen wird und auch die Körperhaltung sowie Bewegungen im Schlaf registriert. Damit lassen sich etwa Stürze sowie die darauf folgenden Beeinträchtigungen erfassen. Die Zukunft, so Leocani, könnte in einer Kombination verschiedener Datenquellen liegen: Wearables mit Bewegungssensoren, Tagebücher, Arztberichte, MRT-Aufnahmen, ausgewertet von einer speziell trainierten KI, die Alarm schlägt, wenn sich ein Schub andeutet oder jemand eine sekundär progrediente MS entwickelt. Quelle: Americas Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ACTRIMS) Forum 2024; West Palm Beach 29.2.–2.3.2024. AP2. European Charcot Foundation Symposium – Moving the Patient at the Center. Letizia Leocani: Are the Wearable Devices Mature to Monitor MS?

Springer Medizin

Apps- und Fitnesstracker dokumentieren MS-Verlauf

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Services in der MS-Therapie für Neurolog*innen und Betroffene

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Services in der MS-Therapie für Neurolog*innen und Betroffene