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Erschienen in: Die MKG-Chirurgie 3/2022

Open Access 03.08.2022 | Operationen an der Nase | Leitthema

Die mikrochirurgische Defektversorgung der Nase

verfasst von: Dr. Dr. C. Steiner, MSc, G. B. Bottini, M. Neubert, S. Nogami, J. Wittig, C. Brandtner, A. Gaggl

Erschienen in: Die MKG-Chirurgie | Ausgabe 3/2022

Zusammenfassung

Teil- oder Totalverluste der Nase führen zu ästhetischer Entstellung und zu hohem psychischen Leidensdruck sowie zu funktionellen Problemen im Bereich von Atmung und Geruchssinn. Aus rekonstruktiv-chirurgischer Sicht kann die Nase in drei Anteile geteilt werden: Innenauskleidung, Stützgerüst, Haut-Weichteil-Bedeckung. Im Rahmen der Rekonstruktion nasaler Defekte müssen alle drei Anteile bestmöglich wiederhergestellt werden. Je größer die Defekte sind, desto eher muss auf mikrovaskuläre Transplantate zurückgegriffen werden. Chondrokutane Transplantate von der Ohrhelix, gestielt an A. und V. temporalis superficialis, eignen sich sehr gut zur Rekonstruktion von Teildefekten der Nase. Osteoperiostale Transplantate vom medialen Femurkondylus, gestielt an A. descendens genus und Begleitvenen, eignen sich sehr gut zur Rekonstruktion des Nasenseptums oder des Nasenskeletts im Rahmen der Wiederherstellung großer Defekte. Der paramediane Stirnlappen stellt den Goldstandard zur Rekonstruktion großer Defekte der Haut-Weichteil-Bedeckung dar.
Hinweise

Redaktion

Reinhard Bschorer, Schwerin
Niels Pausch, Leipzig
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Als zentrales Element im Gesicht ist die Nase entscheidend für ein ästhetisches Erscheinungsbild [1, 2]. Gleichzeitig ist es die vielleicht am komplexesten aufgebaute Struktur im Gesicht und von hoher funktioneller Bedeutung für die Atmung und den Geruchssinn [14]. Durch Traumen wie z. B. Hundebisse, Tumoren wie Plattenepithel- oder Basalzellkarzinome, Verbrennungen, Infektionen, Kokainabusus, Erkrankungen wie die Wegener-Granulomatose oder chirurgische Komplikationen kann es zu einem Verlust von inneren und äußeren Teilen oder auch zu einem kompletten Verlust der Nase kommen [1, 57]. Die betroffenen Personen sind damit deutlich entstellt und einem hohen psychischen Leidensdruck ausgesetzt (s. Abb. 1 und 7). Auch funktionell können die Auswirkungen gravierend sein. Bedingt durch den Verlust v. a. der inneren Strukturen wie der Nasenmuscheln und des Septums wird die Luft weniger befeuchtet und es kommt zu Veränderungen im Luftstrom. Als Folge kann sich ein „empty nose syndrome“ entwickeln, das erstmals 1994 von Kern und Stenkvist beschrieben wurde [8]. Obwohl die Nasenhöhle durch den Verlust von Strukturen eigentlich weiter ist, haben Betroffene ein ständiges paradoxes Gefühl nasaler Obstruktion [810]. Des Weiteren kann es zu Dyspnoe, nasaler und pharyngaler Trockenheit, starker Verkrustung, Gesichts- und Kopfschmerzen, Hyposmie, einer mukopurulenten Rhinorrhoe und letztendlich durch die psychische Belastung zu Depressionen kommen [8, 9].
Ist es zu einem Teil- oder Totalverlust der Nase gekommen, bestehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten des Ersatzes. Einerseits kann – temporär oder dauerhaft – eine Epithese angefertigt und entweder an einem Brillengestell oder an Implantaten befestigt werden (s. Abb. 8; [1114]). Andererseits kann eine chirurgische Rekonstruktion durchgeführt werden. Nasenamputationen (Rhinokopia) waren in vielen Ländern über Jahrhunderte eine gewohnte Form der Bestrafung [15, 16]. Daher wurden schon sehr früh Techniken der Nasenrekonstruktion entwickelt. Etwa 600 Jahre v. Chr. beschrieb Sushruta in Indien einen Wangenlappen zur Nasenrekonstruktion [16]. Dies kann gewissermaßen auch als Geburtsstunde der plastischen (Gesichts)chirurgie angesehen werden. Ein namentlich nicht bekannter Schüler Sushrutas dürfte, um Narben in der Wange zu vermeiden, die Technik des paramedianen Stirnlappens entwickelt haben [17]. Diese Methode wurde in Indien über Jahrhunderte praktiziert, aber erst 1793 von zwei britischen Chirurgen nach Europa gebracht [17]. Noch heute wird der paramediane Stirnlappen als „Indian flap“ bezeichnet. Unabhängig davon beschrieb Tagliacozzi 1597 in Italien in seinem Werk De Curtorum Chirurgia per Insitionem, dem ersten schriftlichen Werk über die plastische Gesichtschirurgie, einen gestielten Oberarmlappen zur Rekonstruktion nasaler Defekte [16, 18].

Prinzipien der Nasenrekonstruktion

Bevor mit der Rekonstruktion nasaler Defekte begonnen werden kann, muss abgesichert werden, dass die Patientin bzw. der Patient aus allgemeinmedizinischer und psychischer Sicht für die oft multiplen Eingriffe geeignet ist. Ist ein maligner Tumor Grund für den (Teil)verlust der Nase, muss sichergestellt sein, dass dieser vollständig unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsabstände entfernt wurde und keine zervikalen Lymphknoten- oder Fernmetastasen vorliegen. Dennoch kann auch eine simultan mit der Resektion stattfindende Rekonstruktion angedacht werden und speziell bei großen Defekten von Vorteil sein [2]. Eine aktuelle Staginguntersuchung ist in jedem Fall unabdingbar.
Die Nase sitzt dem Oberkiefer und Mittelgesicht auf. Nur wenn diese Strukturen intakt sind und damit eine Basis für die Nasenrekonstruktion vorhanden ist, kann diese auch gelingen [15, 19]. Andernfalls müssen diese Strukturen zuvor rekonstruiert werden [19].
Oberkiefer und Mittelgesicht müssen intakt sein
Aus rekonstruktiv-chirurgischer Sicht kann die Nase in drei Anteile geteilt werden [15, 1921]:
1.
Die Innenauskleidung, die aus respiratorischer, im Bereich der Vorhöfe keratinisierter Schleimhaut besteht
 
2.
Das Stützgerüst, das aus knöchernem und knorpeligem Septum, den Nasenbeinen, den Stirnfortsätzen des Oberkiefers sowie den Dreiecks- und Flügelknorpeln besteht
 
3.
Die Haut-Weichteil-Bedeckung, bestehend aus der im proximalen und mittleren Drittel gut verschieblichen, im distalen Drittel und an der Nasenspitze fest anhaftenden Haut, dem „superficial musculoaponeurotic system“ (SMAS) und dem Periost bzw. Perichondrium
 
Ist nur einer dieser Anteile von einem Defekt betroffen, reichen oft lokale Maßnahmen zur Defektdeckung aus. So können beispielsweise kleinere Hautdefekte mit Spalthaut oder lokalen Lappenplastiken gedeckt und Anteile des Stützgerüstes durch freie Knochen- und Knorpeltransplantate von der Rippe oder anderen Spenderregionen ersetzt werden [1921]. Sind aber bei großen, penetrierenden Defekten mehrere Anteile beteiligt oder fehlt die ganze Nase, ist eine Wiederherstellung ohne mikrochirurgischen Gewebetransfer kaum mehr möglich [2, 5, 15]. Ausgedehnte regionale Lappenplastiken, wenn sie überhaupt noch ausreichen, würden zu weiteren Entnahmedefekten und damit zur Störung weiterer ästhetischer Einheiten und somit des Gesamteindrucks des Gesichts führen.
Wenn die umgebenden Gewebe z. B. durch ein Trauma oder eine Bestrahlung Schaden genommen haben und für eine Rekonstruktion nicht verwendbar sind, können mikrochirurgische Lappenplastiken auch schon bei kleineren Defekten notwendig werden [6]. Genauso wichtig wie die Wiederherstellung der Haut-Weichteil-Bedeckung und des Stützgerüstes zur Erlangung einer guten Ästhetik ist jedenfalls die Rekonstruktion der Innenauskleidung [3, 22]. Kommt es hier zu Vernarbungen und Kontrakturen und folglich zur nasalen Obstruktion, ist das Ergebnis der Rekonstruktion stark beeinträchtigt [3].

International beschriebene Verfahren zur mikrochirurgischen Rekonstruktion der Nase

Sehr gut auf den Punkt bringen es Antunes u. Chalian [3]: Die Verfügbarkeit von sehr vielen verschiedenen Optionen zur Rekonstruktion der Nase ist gleichzeitig auch ein Zeichen dafür, dass nicht alle in allen Situationen gut funktionieren. Alle Verfahren erfordern auch ein hohes Maß an chirurgischem Geschick und Erfahrung.
Zur Rekonstruktion der Haut-Weichteil-Bedeckung hat sich der paramediane Stirnlappen als Goldstandard etabliert [1, 2, 57, 15]. Die Haut der Stirn ist der Nasenhaut bezüglich Farbe und auch Textur sehr ähnlich und damit aus ästhetischer Sicht besser geeignet als mikrovaskuläre Transplantate aus fernen Regionen. Bezüglich der inneren Auskleidung ist der Radialislappen das am meisten beschriebene Transplantat [1, 2, 5, 6, 15]. Dieser kann auch mit einem Knochenanteil als osteokutaner Radialislappen präpariert werden und somit gleichzeitig auch das Stützgerüst ersetzen [2, 5, 22]. Des Weiteren für die Rekonstruktion der inneren Auskleidung beschrieben wurden z. B. auch Ulnaris- und anterolaterale Oberschenkel(ALT)-Lappen [1, 4, 5, 22]. Einen guten Überblick dazu geben die Reviews von Phillips [1], Gasteratos et al. [5] sowie Ramji et al. [22]. Zur Rekonstruktion des Stützgerüstes finden neben mikrovaskulären Transplantaten wie dem Radialislappen v. a. freie Knorpeltransplantate aus Septum, Ohr oder Rippe und Knochentransplantate aus diversen Spenderregionen Verwendung [1, 2, 6, 7, 19].

Unser Weg in der mikrochirurgischen Rekonstruktion der Nase

Im Falle von penetrierenden Nasenteildefekten greifen wir auf chondrokutane Transplantate von der Ohrhelix, gestielt an A. und V. temporalis superficialis, ähnlich wie von Pribaz 1993 [23] beschrieben, zurück (s. Abb. 2; [12]). Je nach Bedarf kann dabei etwas präaurikuläre Haut mitentnommen werden. Bei größeren Defekten und speziellen weiteren Indikationen kommt ein osteoperiostales Transplantat vom medialen Femurkondylus zum Einsatz (s. Abb. 10; [12, 24]). Dieses Transplantat hat sich in unseren Händen als universelles Tool bei verschiedensten rekonstruktiven Fragestellungen erwiesen [12, 2427]. Gestielt an der A. descendens genus und deren Begleitvenen, kann es im Rahmen der Nasenrekonstruktion das fehlende Nasenseptum (s. Abb. 11) oder, osteotomiert und gefaltet, das Nasenskelett ersetzen [12, 25]. Für die Innenauskleidung kann eine kleine perforatorgestielte Hautinsel mitentnommen werden [12]. Falls das Septum ersetzt werden soll und im Empfängerbett keine ausreichende Schleimhaut zur Bedeckung der knöchernen Seite des Transplantats mehr vorhanden ist, führen wir eine Prälaminierung mit Wangenschleimhaut durch [28]. Das Femurtransplantat wird dabei wie gewohnt gehoben, aber am vaskulären Stiel belassen und an der knöchernen Seite mit Wangenschleimhaut bedeckt. Dann wird das so prälaminierte Transplantat in einen Bergebeutel für die endoskopische Chirurgie gelegt und im Bereich des M. vastus medialis verstaut. Die Haut wird wieder vernäht und erst 14 Tage später, nach Anheilen der Wangenschleimhaut am Knochen, erfolgt der Transfer ins Gesicht zur Nasenrekonstruktion.
Das osteoperiostale Transplantat vom medialen Femurkondylus hat sich als universelles Tool erwiesen
Sowohl das Transplantat von der Ohrhelix als auch das Transplantat vom medialen Femurkondylus zeichnen sich durch eine sehr geringe Entnahmemorbidität aus [29]. Um weitere Narben im Gesicht zu vermeiden, erfolgt der Anschluss der Transplantate enoral an die A. und V. facialis (s. Abb. 9; [30]). Meist kommen Polyamidnähte der Stärken 10‑0 und 11‑0 zum Einsatz. Alle mikrochirurgischen Eingriffe werden unter perioperativer Antibiose für 48 h und unter prophylaktischer, gewichtsadaptierter Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin für ca. 14 Tage durchgeführt, wobei die Erstgabe mit der Anastomosierung der Gefäße erfolgt. Um eine ausreichende Perfusion der Transplantate zu gewährleisten, wird der systolische Blutdruck in der unmittelbaren postoperativen Phase über 100 mm Hg gehalten und die Hämoglobinkonzentration im Blut regelmäßig kontrolliert. Außerdem wird die Transplantatdurchblutung in den ersten 48 h alle 2 h mittels Doppler-Ultraschall kontrolliert.
Für die äußere Abdeckung verwenden wir i. d. R. eine paramediane Stirnlappenplastik, wenn möglich mit einer vorangehenden Hautexpansion (s. Abb. 7 und 11). Wie bereits erwähnt, ist die Haut der Stirn der Nasenhaut bezüglich Farbe und auch Textur sehr ähnlich und damit aus ästhetischer Sicht besser geeignet als mikrovaskuläre Transplantate aus fernen Regionen. Die vorangehende Hautexpansion ermöglicht einen primären Wundverschluss nach Entnahme des Stirnlappens oder reduziert zumindest das Areal, das sekundär gedeckt werden muss (s. Abb. 12). Im Rahmen von Korrekturoperationen kommen Knorpel- und Knochentransplantate von der Rippe zum Einsatz. Die beiden folgenden Patientenfälle sollen unser Vorgehen in der Praxis verdeutlichen.

Patientenfall 1: Rekonstruktion eines penetrierenden Nasenteildefekts

Ein 10-jähriges Mädchen erlitt durch einen Hundebiss einen penetrierenden Teildefekt ihrer Nase (Abb. 1). Linke Nasenspitze, linker Nasensteg, ein Großteil des linken Nasenflügels und ein Teil des linken Nasenrückens gingen verloren. Der avulsierte Nasenanteil konnte zwar wiedererlangt und replantiert werden, wurde aber letztendlich vollständig nekrotisch.
Zur Rekonstruktion des Defekts entschieden wir uns für ein Transplantat von der linken Ohrhelix [12, 23]. Um weitere Narben im Gesicht zu vermeiden, wurden als Erstes von enoral über eine vestibuläre Schnittführung mögliche Gefäße für den Anschluss des Transplantats dargestellt [30]. Die V. facialis konnte problemlos in ihrem Verlauf bis zum Übergang in die V. angularis verfolgt werden. Die A. facialis zeigte sich hingegen sehr kleinkalibrig, im paranasalen Bereich konnte kein dominanter Ast aufgefunden werden. Deshalb wurde die A. infraorbitalis aufgesucht und als Anschlussgefäß präpariert. Nach Sicherstellung ausreichender Anschlussmöglichkeiten für das geplante Transplantat erfolgte der Wechsel zum linken Ohr.
Hier wurde entsprechend einer zuvor vorbereiteten Schablone das geplante Transplantat im Bereich der oberen anterioren Ohrhelix und eines angrenzenden präaurikulären Hautareals angezeichnet (Abb. 2). Die A. und V. temporalis superficialis wurden als versorgende Gefäße ca. 4 cm nach kranial präpariert und proximal unterbunden (Abb. 2). Dann wurde das Transplantat umschnitten und zur Nase transferiert. Die Positionierung erfolgte dabei so, dass der Anteil der Ohrhelix anstelle der Unterkante des seitlichen Flügelknorpels zu liegen kam (Abb. 3). Nach Einnaht des Transplantats wurden A. temporalis superficialis und A. infraorbitalis sowie V. temporalis superficialis und V. facialis unter dem Mikroskop anastomosiert. Entnahmebedingt lief der Blutfluss nun retrograd. Abschließend wurde der enorale Zugang vernäht. Ein noch nicht gedeckter Bereich am Nasensteg wurde mit einem Vollhauttransplantat von retroaurikulär versorgt. Die Entnahmestelle präaurikulär konnte durch lokale Verschiebung der Haut direkt gedeckt werden.
Postoperativ wurde das Nasenloch mittels regelmäßig angepasster Splints ausgeformt („nasal molding“; Abb. 4). Drei Jahre nach Rekonstruktion zeigten sich ein zufriedenstellendes Ergebnis im Bereich der Nase (Abb. 5) und ein unauffälliger Entnahmedefekt am linken Ohr (Abb. 6). Aufgrund des Alters der Patientin und des stattfindenden Wachstums wurden weitere notwendige Korrekturen vorerst auf später geschoben.

Patientenfall 2: Totale Nasenrekonstruktion

Bei diesem Fall handelte es sich um eine 58-jährige Patientin mit vollständigem Verlust der äußeren Nase nach Resektion eines Plattenepithelkarzinoms des Nasenstegs (T3 N0 M0) durch die Kollegen der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (Abb. 7). Vorbereitend für die Rekonstruktion wurde im Bereich der Stirn ein Hautexpander implantiert und wöchentlich befüllt. Nach Erreichen einer ausreichenden Expansion wurde unter Zuhilfenahme der vorhandenen Nasenepithese (Abb. 8) eine Stirnlappenplastik präpariert. Aufgrund der Größe wurden beide Aa. supratrochleares in den Stiel inkludiert. Der Expander wurde wieder explantiert. Nach Vorbereitung des Stirnlappens erfolgte der Wechsel nach enoral, wo in der Wange A. und V. facialis als Anschlussgefäße aufgesucht wurden (Abb. 9; [30]). Parallel begann ein zweites Team mit der Präparation eines Transplantats vom medialen Femurkondylus [24]. Dabei wurden der linke mediale Femurkondylus und der Gelenkspalt markiert, dann wurde die Haut ausgehend vom Gelenkspalt bis ca. 10 cm proximal entlang der hinteren Grenze des M. vastus medialis inzidiert. Anschließend wurde die Faszie des M. vastus medialis gespalten und die Sehne des M. adductor magnus freigelegt. Hier wurden der Gelenkast der A. descendens genus und zwei begleitende Venen identifiziert und für etwa 7 cm nach proximal verfolgt, um eine ausreichende Stiellänge zu erhalten (muskuläre Äste wurden ligiert; Abb. 10). Dann wurden die endständigen periostalen Äste im Bereich des medialen Femurkondylus präpariert (Abb. 10). Die erforderliche Größe des Transplantats wurde anhand einer vorbereiteten Schablone bestimmt und das Periost entsprechend inzidiert, dann folgte eine Osteotomie des darunter liegenden kortikalen Knochens mit einem Piezochirurgiegerät und Meißeln. Das so gewonnene osteoperiostale Transplantat wurde abschließend auf der Spongiosaseite mit einem Diamantbohrer auf 1 mm Dicke ausgedünnt und zur Nase transferiert. Hier wurde es als Ersatz des Nasenseptums positioniert und mit Mikroplattenosteosynthesen zum Oberkiefer sowie mit Nähten zum Restseptum fixiert (Abb. 11). Der freiliegende Knochen wurde mit Schleimhaut aus dem Restseptum gedeckt. Die versorgenden Gefäße wurden über einen submukösen Tunnel zur enoral dargestellten Anschlussstelle an die A. und V. facialis geleitet und unter dem Mikroskop anastomosiert. Letztendlich wurde der vorbereitete Stirnlappen über das neu geschaffene Nasenseptum als Stützgerüst geschlagen und vernäht (Abb. 11). Zur inneren Auskleidung wurde lokale Haut umgeschlagen und mit dem Epicranium des Stirnlappens vernäht. Die Nasengänge wurden mit Splints offen gehalten und der trotz Hautexpansion verbleibende Defekt an der Stirn wurde mit Kunsthaut versorgt.
Aufgrund des Umfangs der Rekonstruktion erfolgte die Stieldurchtrennung des Stirnlappens erst nach einer Einheilungszeit von 2 Monaten (Abb. 12). Dabei wurde der restliche Entnahmedefekt an der Stirn mit Spalthaut gedeckt (Abb. 12) und eine Korrektur an den Nasenlöchern durchgeführt. In zwei weiteren Korrekturoperationen wurde zunächst der Stirnlappen ausgedünnt, dann wurden Rippenknorpeltransplantate in Nasenrücken, Columella und Nasenflügel eingebracht. In Abb. 13 ist das funktionell und ästhetisch sehr zufriedenstellende Endergebnis zu sehen.

Fazit für die Praxis

  • Aus rekonstruktiv-chirurgischer Sicht lässt sich die Nase in Innenauskleidung, Stützgerüst und Haut-Weichteil-Mantel einteilen.
  • Die Rekonstruktion großer Defekte erfordert mikrovaskuläre Transplantate. Dabei müssen alle drei Nasenanteile bestmöglich wiederhergestellt werden.
  • Chondrokutane Transplantate von der Ohrhelix, gestielt an A. und V. temporalis superficialis, eignen sich sehr gut zur Rekonstruktion von Teildefekten.
  • Osteoperiostale Transplantate vom medialen Femurkondylus, gestielt an A. descendens genus und Begleitvenen, sind sehr gut zur Rekonstruktion des Nasenseptums oder des -skeletts im Rahmen der Wiederherstellung großer Defekte geeignet.
  • Der paramediane Stirnlappen ist der Goldstandard zur Rekonstruktion großer Defekte der Haut-Weichteil-Bedeckung.

Danksagung

Vielen Dank Frau Mag. Eva-Maria Laufenböck für die Durchsicht des Manuskriptes.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Steiner, G.B. Bottini, M. Neubert, S. Nogami, J. Wittig, C. Brandtner und A. Gaggl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
14.
Zurück zum Zitat Wagenblast J, Baghi M, Helbig M et al (2008) Craniofacial reconstructions with bone-anchored epithesis in head and neck cancer patients—a valid way back to self-perception and social reintegration. Anticancer Res 28:2349–2352 Wagenblast J, Baghi M, Helbig M et al (2008) Craniofacial reconstructions with bone-anchored epithesis in head and neck cancer patients—a valid way back to self-perception and social reintegration. Anticancer Res 28:2349–2352
20.
Zurück zum Zitat Baker SR (2016) Major nasal reconstruction. In: Papel ID (Hrsg) Facial Plast. Reconstr. Surg, 4. Aufl., S 691–707 Baker SR (2016) Major nasal reconstruction. In: Papel ID (Hrsg) Facial Plast. Reconstr. Surg, 4. Aufl., S 691–707
21.
Zurück zum Zitat Klinzing S, Kunert P (2005) Rekonstruktion der Nase. In: Berger A, Hierner R (Hrsg) Plast. Chir. – Kopf und Hals. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 235–270 Klinzing S, Kunert P (2005) Rekonstruktion der Nase. In: Berger A, Hierner R (Hrsg) Plast. Chir. – Kopf und Hals. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 235–270
Metadaten
Titel
Die mikrochirurgische Defektversorgung der Nase
verfasst von
Dr. Dr. C. Steiner, MSc
G. B. Bottini
M. Neubert
S. Nogami
J. Wittig
C. Brandtner
A. Gaggl
Publikationsdatum
03.08.2022
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die MKG-Chirurgie / Ausgabe 3/2022
Print ISSN: 2731-748X
Elektronische ISSN: 2731-7498
DOI
https://doi.org/10.1007/s12285-022-00363-4

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