Psychische Störungen wie Depressionen und Angststörungen sind Risikofaktoren für langfristige Arbeitsunfähigkeit und einen vorzeitigen Renteneintritt [
1,
6,
21]. Wie eine dauerhafte Rückkehr an den Arbeitsplatz gelingen kann, bleibt – trotz umfangreicher Forschung – ein ungelöstes Problem [
10,
18]. In Deutschland wurde 2004 das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) gesetzlich eingeführt, welches die Rückkehr von Arbeitnehmer*innen mit schweren bzw. langdauernden Erkrankungen, wie z. B. psychischen Störungen, erleichtern soll (vgl. § 167 Abs. 2 SGV IX; [
14]). Dieses formale Verfahren wird aber nur knapp mehr als einem Drittel der Arbeitnehmer*innen mit gesetzlichem Anspruch tatsächlich angeboten [
8].
Betriebsärztinnen und Betriebsärzte (BÄ) sind im Prinzip mit ihrer medizinischen Expertise, der ärztlichen Schweigepflicht und detaillierten Kenntnissen über die individuellen Arbeitsbedingungen prädisponiert, den Rückkehrprozess vermittelnd zu unterstützen [
21]. Sie stehen als Ansprechpartner*innen auch außerhalb des formalen BEM-Prozesses zur Verfügung [
2].
So konnte z. B. in den Niederlanden gezeigt werden, dass die Einbeziehung von BÄ in den Rückkehrprozess positiv mit der Reduktion depressiver Symptome der Rückkehrenden assoziiert war [
19]. Eine Kombination von arbeitsbezogenen und klinischen Interventionen im Vergleich zu alleinigen klinischen Interventionen ist mit einer verringerten Anzahl von Krankheitstagen assoziiert. Dieses Vorgehen wird bislang unzureichend umgesetzt [
10]. Die Verwendung von – die Umsetzung fördernden – Leitlinien zur Wiedereingliederung psychisch erkrankter Beschäftigter durch BÄ führte in internationalen Studien zu uneinheitlichen Ergebnissen, was weiteren Forschungsbedarf begründet [
3,
16,
17]. Im deutschen Bereich nimmt ein Leitfaden für BÄ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) deren Rolle im BEM im Allgemeinen in den Blick, lässt aber die spezifischen Problematiken bei der Rückkehr mit/nach psychischer Erkrankung außer Betracht [
4].
Die berufliche Wiedereingliederung erfordert eine enge Kooperation verschiedener medizinischer, psychotherapeutischer und betrieblicher Akteure und Akteurinnen [
10]. Bereits zwischen der medizinischen Regelversorgung und BÄ mangelt es an einer effektiven Kooperation [
15]. An der Schnittstelle zwischen medizinischer inkl. psychotherapeutischer Versorgung und Betrieb ist es besonders notwendig, dass sich die beteiligten BÄ mit der Sichtweise, den Erwartungen und den Zielen anderer behandelnder Personen [
13,
22] und betrieblicher Akteure und Akteurinnen auseinandersetzen. In einer vorausgehenden multiperspektivischen qualitativen Studie haben wir Sichtweisen und Erwartungen von psychisch erkrankten Beschäftigten, BÄ, Psychotherapeuten bzw. Psychotherapeutinnen und betrieblichen Akteure exploriert und gegenübergestellt [
12]. Von allen Akteuren wurde die Schlüsselrolle der BÄ im Wiedereingliederungsprozess hervorgehoben [
12].
Zielstellung
Das Ziel der vorliegenden Studie besteht in der Entwicklung eines Instruments, unter Partizipation wesentlicher Akteure, welches die Kompetenzen von BÄ bei der Wiedereingliederung psychisch erkrankter Beschäftigter stärkt und sie dazu befähigt, eine vermittelnde und koordinierende Rolle einzunehmen. Dieses Ziel soll durch (1) die Entwicklung eines Leitfadens sowie (2) die Erstellung eines Schulungsmoduls zu seiner Anwendung im Rahmen der betriebsärztlichen bzw. arbeitsmedizinischen Fort- und Weiterbildung erreicht werden. Schließlich soll (3) in einer Pilotstudie geprüft werden, wie das Instrument von der Zielgruppe angenommen wird.
Im Folgenden wird die Entwicklung des Leitfadens und des Schulungsmoduls chronologisch dargestellt. Der gesamte Entwicklungszeitraum umfasste zwei Jahre. Die Ethikkommission der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat der Durchführung der vorliegenden Studie ein positives Votum erteilt (Studienregistriernummer: 6210R).
Methodik und Ergebnisse
Schritt 1: Qualitative Studie
Schritt 2: Kognitive Interviews
Schritt 3: Entwicklung von Lösungsvorschlägen
Schritt 4: Entwicklung des Leitfadens
Das Kernelement des Leitfadens ist die auf Basis der qualitativen Vorarbeiten entwickelte dreiseitige Gesprächsanleitung, die darauf ausgerichtet ist, BÄ bei der Führung eines Erstgesprächs mit Beschäftigten zu unterstützen. Sie wird ergänzt durch ein Formular, welches von dem Beschäftigten bereits vor dem Gespräch ausgefüllt werden kann und ggf. den BÄ hilft, sich vorab zu informieren. Die Anleitung für das Erstgespräch zwischen BÄ und Rückkehrer wurde in Form einer Tabelle mit 3 Spalten gestaltet, die (1) relevante Themen aufführen (Tab.
1), (2) zu jedem Thema Formulierungsbeispiele für Fragen bereitstellen (Tab.
2) und (3) bei jeder Frage Raum für Notizen lassen
3. Die Anleitung kann somit variabel genutzt werden, z. B. als ausformulierter Fragetext oder als Checkliste vor, während oder zum Abschluss des Gesprächs, sodass keine wichtigen Aspekte vergessen werden.
Tab. 1
Themen des Gesprächsleitfadens für das Gespräch zwischen Betriebsarzt/Betriebsärztin und Rückkehrendem
Vorinformation der betroffenen Person zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) |
Vorangegangene Gespräche mit anderen |
Wünsche an dieses Gespräch |
Schwerbehinderung |
Derzeitige psychologische Betreuung |
Aktueller Gesundheitszustand |
Wunsch nach Frühberentung |
Selbsteinschätzung: Rückkehr an den alten Arbeitsplatz möglich? |
Ggf. Arbeitsplatzwechsel gewünscht? |
Potenziell gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen am alten Arbeitsplatz |
Rückkehr mit gestufter Wiedereingliederung |
Umfang der Weiterbeschäftigung |
Änderungswünsche bzgl. Arbeitsbedingungen |
Offenlegung der Erkrankung |
Wünsche der Vorgesetzten an Mitarbeiter bzw. vice versa |
Kontaktaufnahme mit dem BEM-Team |
Kontaktaufnahme mit Vorgesetzen |
Kontaktaufnahme mit Psychotherapeuten/Psychiatern |
Vereinbarung weiterer Gespräche |
Tab. 2
Auszug aus der Gesprächsanleitung: Stichpunkte und Formulierungsvorschläge
Vorinformationen der betroffenen Person zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) | Wieso sind Sie heute bei mir? Welche Informationen liegen Ihnen bereits zu diesem Gespräch oder zu Ihrer Rückkehr vor? |
Vorangegangene Gespräche mit anderen Akteuren | Welche Gespräche bzgl. Ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz haben bereits stattgefunden? |
Wünsche an dieses Gespräch | Was wünschen Sie sich von diesem Gespräch? |
Schwerbehinderung | Wurde bei Ihnen eine Schwerbehinderung festgestellt? |
Derzeitige psychologische Betreuung | Erhalten Sie (bereits/noch) Unterstützung von einem Psychotherapeuten/Psychiater? |
Aktueller Gesundheitszustand | Mit Hinblick auf Ihre Erkrankung – wie werden Sie Ihre beruflichen Aufgaben bewältigen können? |
Wunsch nach Frühberentung | Können Sie sich vorstellen, Ihren jetzigen Beruf/Ihre jetzige Tätigkeit für längere Zeit (Jahre), ggf. bis zu Ihrer Altersrente auszuüben? |
Um Divergenzen zwischen maßgeblichen Akteuren möglichst frühzeitig aufdecken zu können, enthält der Leitfaden eine weitere – bzgl. Inhalt, Aufbau und Format analoge – Anleitung für das Gespräch zwischen dem Betriebsarzt/der Betriebsärztin und dem Vorgesetzten. Durch die identische inhaltliche Strukturierung und Formatierung der beiden Anleitungen können BÄ beide Sichtweisen leicht vergleichen, sofern mit beiden Parteien ein Gespräch geführt werden kann. Besprochene Maßnahmen können in einer beigefügten Übersichtstabelle aufgeführt und zusammen mit Verantwortlichkeiten und Fristen festgehalten werden.
Für den Fall divergierender Sichtweisen des Beschäftigten und dessen Vorgesetzten und somit potenzieller Konflikte sind die Lösungsvorschläge aus der o. g. Online-Studie (vgl. Schritt 3) aus der praktischen Arbeit erfahrener BÄ aufgeführt. Dieses Inventar von Lösungsvorschlägen kann erste Hinweise zur Konfliktlösung bieten, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Des Weiteren beinhaltet der Leitfaden diverse Checklisten zur Orientierung in den betrieblichen Strukturen zur Wiedereingliederung, zur Kontaktaufnahme mit Behandelnden, ein Dokument zur Schweigepflichtentbindung, ein Muster für Anschreiben an Beschäftige zur Information über Rolle, Tätigkeit, Verantwortung und Möglichkeiten der BÄ im Rückkehrprozess, ferner Musteraushänge im Unternehmen, in denen BÄ auf ihre Tätigkeit hinweisen können. Der Leitfaden endet mit Literaturhinweisen.
Schritt 5: Vorstellung des Leitfadens im Rahmen von Weiterbildungskursen für Arbeitsmediziner*innen und Betriebsärztinnen und -ärzte
Anhand der Rückmeldungen von Gruppendiskussionen am Ende der Unterrichtseinheiten wurde auch die Gesprächsanleitung final überarbeitet. Änderungen, die den Diskussionsbeiträgen der Teilnehmer*innen folgten, betrafen sensible Themen (bspw. mögliche angestrebte Frühberentung), die behutsam und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt im Gesprächsleitfaden aufgegriffen werden sollten, wenn bereits eine Vertrauensbasis geschaffen werden konnte.
Schritt 6: Praxiserprobung des Leitfadens
Mittels Freitextfeldern wurden weitere Überarbeitungshinweise sowie Gründe für und gegen den Einsatz des Leitfadens eruiert. Aufgrund der Anmerkungen waren keine weiteren grundlegenden Überarbeitungen notwendig. Als Hinderungsgründe für den Einsatz des Leitfadens wurde angegeben, dass dieser vergessen oder aufgrund der Ausführlichkeit nicht eingesetzt wurde. Als Gründe für den Einsatz wurden die Vorbereitung sowie die Strukturierung des Gesprächs genannt und das Ziel, keine wichtigen Aspekte zu vergessen. Die befragten BÄ empfanden die Gesprächsanleitung als hilfreich, da sie selbst noch unerfahren waren, die angeleitete Vorbereitung zu einem sicheren Auftreten verholfen hat und ein Hineinversetzen in die Wünsche des Arbeitnehmers sowie des Arbeitgebers durch die Schaubilder zu Beginn des Leitfadens ermöglicht wurde. Ein Betriebsarzt beschreibt den Nutzen des Leitfadens folgendermaßen: „Zunächst scheint es mit mehr Zeitaufwand verbunden, aber im Nachhinein ist Gegenteiliges der Fall. Mit der Zeit macht sich der Leitfaden vielleicht auch überflüssig, sicher lohnt es sich aber auch dann noch, immer mal wieder nachzulesen. Ich bin froh, auf diese Hilfestellung zurückgreifen zu können.“
Diskussion
Nach unserem Kenntnisstand ist der vorliegende Leitfaden für die Rückkehr von Beschäftigten mit psychischer Erkrankung an den Arbeitsplatz der erste, der multiperspektivisch (d. h. unter Einbeziehung von Beschäftigten mit psychischen Erkrankungen, Psychotherapeuten/Psychiatern sowie dem sozialen Umfeld am Arbeitsplatz) und partizipativ mit Betriebsärzten und Betriebsärztinnen für Betriebsärzte und Betriebsärztinnen entwickelt worden ist und der speziell auf die Erhebung potenziell divergierender Erwartungen verschiedener am Rückkehrprozess beteiligter Akteure abzielt. Zudem bietet der Leitfaden Lösungsvorschläge zu möglichen Konflikten sowie weitere unterstützende Materialien für BÄ. Dadurch kann die vermittelnde Position der BÄ im Rückkehrprozess gestärkt werden. Zudem basiert der Leitfaden auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wiedereingliederung psychisch erkrankter Beschäftigter sowie auf umfangreichen qualitativen Vorarbeiten mit verschiedenen Akteuren des Wiedereingliederungsprozesses. Ein zusätzlicher Vorzug ist die Schulung, die die Verbreitung der Materialien im Rahmen der Weiterbildung fördert und den praktischen Einsatz des Leitfadens vermittelt. Sowohl der Leitfaden als auch die Schulung (Manual und Folien) sind frei verfügbar (Links – s. oben).
Ausgehend von der ungenügenden Umsetzung des BEM [
8] und der wahrgenommenen Unsicherheit bezogen auf den Umgang mit psychischen Erkrankungen in Unternehmen [
5] sind strukturierte Wiedereingliederungsprozesse notwendig, um die Implementierung voranzutreiben. Da die betriebsärztliche Betreuung von Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben ist und BÄ sowohl medizinische als auch arbeitsplatzbezogene Kenntnisse aufweisen, ist die Verortung der Wiedereingliederung als betriebsärztliche Aufgabe sinnvoll [
19]. Der entwickelte Leitfaden soll BÄ unterstützen, insbesondere in der Initiierung und zu Beginn eines Rückkehrprozesses diese Tätigkeit in Eigeninitiative zu übernehmen. In einer Studie in den Niederlanden wurde festgestellt, dass die Befolgung einer nationalen Leitlinie zur Eingliederung von psychisch erkrankten Beschäftigten durch BÄ mit einer frühzeitigeren Rückkehr des Beschäftigten assoziiert ist und damit die strukturierte Durchführung von Eingliederungsprozessen zu empfehlen ist [
11]. In einer weiteren niederländischen Studie wurde die Notwendigkeit beschrieben, dass BÄ in Bezug auf den Einsatz von Leitfäden geschult werden sollten, um die konkrete Anwendung in der Praxis zu fördern [
9]. Die im Rahmen dieser Studie entwickelten Leitfäden und Schulungsmaterialien setzen an dieser Forderung an. Grundsätzlich sind der tatsächliche Einsatz des Leitfadens sowie die Einbindung der BÄ in einen BEM-Prozess jedoch weitgehend von der Eigeninitiative des einzelnen Arztes und dem jeweiligen betrieblichen Gesundheitsmanagement abhängig, da die Einbindung in den BEM-Prozess in Deutschland optional ist und auf Wunsch des rückkehrenden Beschäftigten erfolgt. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, ein formales BEM-Verfahren angeboten zu bekommen, stark abhängig von der Größe des Unternehmens, in dem die Betroffenen beschäftigt sind: Je größer das Unternehmen, desto eher ist ein BEM implementiert und wird den Beschäftigten angeboten [
8]. Die Förderung der Umsetzung des BEM in Klein- und Kleinstunternehmen ist daher erforderlich. Aufgrund dieser bislang unzureichenden generellen Umsetzung des BEM liegt eine besondere Stärke des Leitfadens darin, dass er explizit auch außerhalb eines offiziellen Verfahrens eingesetzt werden kann. Des Weiteren ist die Einbeziehung eines breiten Spektrums von BÄ bei der partizipativen Entwicklung und Optimierung des Leitfadens hervorzuheben. Es wurden BÄ involviert, die sich noch in der arbeitsmedizinischen Weiterbildung befinden, sowie bereits sehr erfahrene, die sich speziell in der psychotherapeutischen Versorgung von Beschäftigten weiterbilden. Durch die Kopplung des Leitfadens mit einem didaktischen Konzept (Schulungsmodul/Unterrichtseinheit und Schulungsmanual) werden vor allem die Verbreitung und der konkrete Einsatz des Instruments gefördert. Zudem unterstützt der Leitfaden nicht nur die Gesprächsführung und Aufdeckung von potenziellen Konfliktpunkten im Rahmen der Wiedereingliederung, sondern bietet erste Lösungsvorschläge, welche von erfahrenen BÄ erstellt wurden. Diverse Schaubilder und Checklisten stellen ein zusätzliches, hilfreiches Angebot dar.
Zu erwähnen sind dennoch methodische Limitierungen unserer mehrstufigen Entwicklungsarbeit. So war insbesondere die Praxiserprobung des Leitfadens (vgl. Schritt 7) erschwert, da teilnehmende BÄ nur nach vorheriger Schulung rekrutiert wurden und die Stichprobe somit klein war (n = 88). An der Nachbefragung zum Einsatz des Leitfadens nahmen nur 42 % teil, und nur wenige BÄ hatten überhaupt die Möglichkeit, ein Wiedereingliederungsgespräch nach psychischer Krankheit zu führen. Ein Selektionsbias ist aufgrund dieser Rücklaufquote nicht auszuschließen (z. B., wenn Nichtteilnehmende den Leitfaden kritischer bewerten würden). Ein Faktor, der die Teilnahme jedoch möglicherweise allgemein erschwert hat, ist die SARS-CoV-2-Pandemie, die erst nach Abschluss der Schulungen (Februar 2020) Auswirkungen auf Unternehmen hatte (Schließung, Kurzarbeit, Kontaktbeschränkungen) sowie möglicherweise die Rückkehr psychisch erkrankter Beschäftigter an den Arbeitsplatz erschwert hat (Kurzarbeit, Homeoffice etc.). In diesem Kontext könnte eine größer angelegte Studie über einen längeren Zeitraum zu aussagekräftigeren Ergebnissen führen. Zudem könnten in Zukunft auch Informationen über den Nutzen aus Sicht der rückkehrenden Beschäftigten erhoben werden, bei denen der Gesprächsleitfaden im Wiedereingliederungsprozess eingesetzt wurde. Darüber hinaus könnten auch Vorgesetzte befragt werden, und man könnte im Sinne einer Wirksamkeitsstudie prüfen, ob das BEM durch den Einsatz des Leitfadens tatsächlich erfolgreicher gestaltet werden kann (bspw. kürzere Dauer bis zur Rückkehr, geringere Rückfallquote). Zudem könnten auch behandelnde Therapeutinnen und Therapeuten sowie Ärztinnen und Ärzte des Rückkehrenden befragt werden, falls diese im Rahmen des BEM einbezogen werden. Da sich die der Leitfadenentwicklung zugrunde liegenden Daten vorwiegend auf Depressionen und Angststörungen beziehen, ist die Übertragbarkeit des Leitfadens auf andere psychisch bedingte Krankheitsgruppen nicht ohne weitere Untersuchungen möglich. Des Weiteren kann der Nutzen des Instruments für verschiedene primär somatische Erkrankungen überprüft werden. Insbesondere bei physischen Erkrankungen gibt es ggf. Themen im Leitfaden, die nicht oder weniger relevant sind (z. B. Kontakt zu Psychotherapeuten oder Offenlegung der Erkrankung) oder die noch fehlen. Dies könnte in einer entsprechenden Studie ermittelt werden. In Bezug auf die Unternehmensgröße, Berufsgruppen oder spezifische Settings wurde der Leitfaden so konzipiert, dass er auf verschiedenste berufliche Situationen übertragbar ist: Die zu verwendenden Kernfragen sind für den Rückkehrprozess relevant und weitgehend unabhängig vom betrieblichen Kontext.
Fazit
Zusammenfassend konnte ein Leitfaden entwickelt werden, welcher auf den Erwartungen und Bedürfnissen relevanter am Eingliederungsprozess beteiligter Akteure basiert und diese abbilden kann. Durch das partizipative Vorgehen entstand ein Instrument, welches von der Zielgruppe akzeptiert sowie als hilfreich bewertet wird und somit mit größerer Wahrscheinlichkeit in der Praxis eingesetzt wird. Durch die Entwicklung eines Schulungsmoduls mit praktischer Übung zur Anwendung des Leitfadens wird der wissenschaftlichen Forderung nach einem entsprechenden Training zu entwickelten Leitfäden begegnet. Da ein Schulungsmanual entwickelt wurde, kann die Schulung unabhängig vom Studienteam, d. h. durch andere Kursleiter*innen mit arbeitsmedizinischem Hintergrundwissen und didaktischen Kompetenzen vorbereitet und durchgeführt werden. Somit sind der Einsatz der Schulung und die breite Dissemination der Leitfäden beispielsweise durch Lehrende in Weiterbildungskursen zum Facharzt für Arbeitsmedizin/Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin möglich. Der Effekt dieses Maßnahmenbündels auf den Erfolg der Rückkehr an den Arbeitsplatz von Beschäftigten mit psychischen Erkrankungen sollte in einer randomisierten Interventionsstudie unter realen Bedingungen überprüft werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Die Ethikkommission der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat der Durchführung der vorliegenden Studie ein positives Votum erteilt (Studienregistriernummer: 6210R). Die Studie wurde im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 durchgeführt.
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