Olaparib plus Abirateron in der Praxis

Die Kombination des PARP (Poly-ADP-Ribose-Polymerase)-Inhibitors Olaparib mit Abiraterona kann das Ansprechen und die Zeit bis zur Krankheitsprogression beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) versus aktueller Standardtherapie deutlich verbessern. Im randomisierten Vergleich mit Placebo plus Abirateronb reduzierte die Kombinationstherapie mit Olaparib in der PROpel-Studie das Risiko von Progression oder Tod signifikant um 34%. Das Gesamtüberleben (OS, nicht signifikant) unter Olaparib plus Abirateronb war das längste, das je bei mCRPC-Patienten in einer Phase-III-Studie beobachtet wurde. Das Potenzial der Kombination bildet sich im Fallbeispiel eines Patienten ab, der bei allgemein guter Verträglichkeit ein gutes und anhaltendes Ansprechen erzielte. Das OS der Patienten mit Prostatakarzinom (PC) hängt stark vom Erkrankungsstadium ab [1]. Während bei lokal begrenztem PC dank effektiver lokaler Therapien (Chirurgie bzw. Bestrahlung) mit einem günstigen Verlauf zu rechnen ist, betrug das OS von mCRPC-Patienten, die mit einer aktuellen Standardtherapie (Abirateron, Enzalutamid, Docetaxel) behandelt wurden, in klinischen Studien nur ca. 3 Jahre [2]. Unter Alltagsbedingungen fällt das OS mit ca. 27 Monaten noch deutlich schlechter aus [3]. Somit besteht ein hoher Bedarf an effektiveren Therapieoptionen, z.B. Kombinationen, die mit einer synergistischen Wirksamkeit zu einem besseren Outcome beitragen können. Neue Erstlinienoption Im Dezember 2022 wurde der PARP-Inhibitor Olaparib (Lynparza®) in Kombination mit Abiraterona (Zytiga®) durch die European Medicines Agency (EMA) zur Behandlung des mCRPC ab der Erstlinie für Erwachsene zugelassen, bei denen eine Chemotherapie klinisch nicht indiziert ist [4]. Basis der Zulassung war die multinationale, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie PROpel, die den Nutzen einer Erstlinienbehandlung mit Olaparib plus Abirateronb bei mCRPC-Patienten mit oder ohne HRR (homologe Rekombinationsreparatur)-Genmutation belegte [2]. Eine genomische Testung bezüglich des HRR-Mutationsstatus ist daher vor einer Behandlung mit Olaparib plus Abiraterona nicht erforderlich [4]. In der PROpel-Studie wurden 796 primär therapienaive Erwachsene mit mCRPC und unbekanntem HRR-Mutationsstatus randomisiert täglich mit 1.000 mg Abirateron in Kombination mit entweder 2× 300 mg Olaparib (n=399) oder Placebo (n=397) behandelt [2]. Beide Gruppen erhielten zusätzlich 2× täglich 5 mg Prednison oder Prednisolon, Patienten ohne bilaterale Orchiektomie außerdem eine kontinuierliche Androgendeprivationstherapie [2, 4]. Eine Analyse des HRRm-Status, bestehend aus einem Panel von 14 Genen, war präspezifiziert und erfolgte nach der Randomisierung und vor dem ersten Datenschnitt auf Basis eines Testergebnisses aus Gewebe und ctDNA. Eine post hoc durchgeführte Analyse des aggregierten HRRm-Status ergab eine ausgeglichene Verteilung, wobei der Großteil der Patienten nicht zur HRRm-Subgruppe gehörte (Olaparib plus Abirateronb: 69,9%; Placebo plus Abirateronb: 68,8%) [2]. rPFS-Verlängerung durch Kombination Primärer Studienendpunkt war das durch die Prüfärztinnen und -ärzte ermittelte radiologische progressionsfreie Überleben (rPFS). Als sekundäre Endpunkte wurden u.a. das OS, die Zeit bis zur ersten Folgetherapie oder Tod (TSFT), die Zeit bis zur zweiten Progression oder Tod (PFS2) sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) untersucht [2]. Die Primäranalyse zum Zeitpunkt des geplanten ersten Datenschnitts ergab für Olaparib plus Abirateronb eine Verlängerung des medianen rPFS um 8,2 Monate (24,8 Monate vs. 16,6 Monate). Die Zugabe von Olaparib zu Abirateronb senkte das Risiko von Progression oder Tod signifikant um 34% (Hazard Ratio [HR] 0,66; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,54–0,81; p 42 Monate Die finale Datenanalyse des OS ergab bei einer Datenreife von 47,9% eine Verlängerung des medianen OS durch Olaparib plus Abirateronb im Vergleich zu Placebo plus Abirateronb um mehr als 7 Monate (42,1 Monate vs. 34,7 Monate; HR 0,81; 95%-KI 0,67–1,00; p=0,0544; statistisch nicht signifikant) [5]. Das mediane OS unter Olaparib plus Abirateronb ist mit 42 Monaten das längste, das bisher in einer Phase-III-Studie mit einer mCRPC-Erstlinientherapie beobachtet wurde [5]. Das Verträglichkeitsprofil von Olaparib plus Abirateronb entsprach den bekannten Sicherheitsprofilen der Einzelsubstanzen [2, 5–8]. Unerwünschte Ereignisse (UE) waren meist leicht oder moderat ausgeprägt; die drei häufigsten waren Anämie (49,7%), Fatigue/Asthenie (38,7%) und Übelkeit (30,7%) [5]. Die beiden häufigsten UE vom Grad ≥3 waren Anämie (16,1%) und Hypertonie (3,8%), diese waren jedoch in der Regel gut behandelbar. Fallbeispiel Die Kasuistik eines von Dr. Stefan Machtens, Chefarzt der Abteilung für Urologie, Marienkrankenhaus, Bergisch-Gladbach, behandelten mCRPC-Patienten beschreibt den Behandlungsverlauf und das Therapiemanagement unter Olaparib plus Abiraterona. Bei dem 48-jährigen Mann wurde im Februar 2015 ein lokal begrenztes PC diagnostiziert. Der PSA (prostataspezifisches Antigen)-Wert betrug 7,8 ng/ml, der Gleason-Score in 7 von 9 Biopsaten (rechts) 7a. Linksseitig war kein Tumor nachweisbar. Entsprechend des Gleason-Scores und PSA-Werts handelte es sich um einen Patienten mit klassischem PC und niedrig-intermediärem Risiko. Vortherapien mit kurativer Intention Trotz des niedrig-intermediären Risikoprofils erhielt der Patient aufgrund seines jungen Lebensalters eine HDR (high dose rate)-Brachytherapie in Kombination mit perkutaner Bestrahlung, 2015/2016 schloss sich ein HDR-Brachytherapie-Boost an. Im Juli 2017 ergab eine aufgrund eines Wiederanstiegs des PSA-Werts (3,8 ng/ml) veranlasste Cholin-Positronen-Emissions-Tomographie (PET)/Computertomographie Hinweise auf präsakrale, pelvine sowie iliakale befallene Lymphknoten. Bei der anschließenden pelvinen Lymphadenektomie ließ sich jedoch nur bei einem von 9 Lymphknoten ein Tumorbefall nachweisen. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich der Patient bei Dr. Machtens vor. In Anbetracht der minimalen Lymphknoten-Metastasierung war die Lymphadenektomie ein potenziell kurativer Ansatz. Daher wurde ab August 2017 eine adjuvante Therapie mit Androgendeprivation plus Bicalutamid eingeleitet. Nach stabilem Verlauf setzte 2019 eine serologische Progression als Hinweis auf eine Kastrationsrefraktärität ein, die sich in der PSMA (Prostata-spezifisches Membran-Antigen)-PET durch den Nachweis lymphonodulärer Metastasen (auch in höheren Regionen bis para-aortal, para-caval und mediastinal) und (nicht endgültig gesicherter) Knochenmetastasen bestätigte. Der PSA-Wert verdoppelte sich in <3 Monaten von 18,41 ng/ml auf 38,35 ng/ml. Der Patient benötigte somit dringend eine neue Behandlung. Verlauf unter Olaparib plus Abiraterona Im Februar 2020 wurde der Patient verblindet in den Olaparib-Kombinations-Arm der PROpel-Studie eingeschlossen. Seitdem (Stand: September 2023) erhält der Patient die Präparate in der Standarddosierung. Der HRRm-Status inklusive BRCA (breast cancer)-Mutation war negativ (wurde den Behandelnden bzw. dem Patienten erst nach Entblindung der Studie mitgeteilt). Olaparib plus Abiraterona führte über einen langsamen, aber beständigen Abfall des PSA-Werts zu einem guten Ansprechen (Abb. 2). Mit dem PSA-Wert von 0,21 ng/ml war der Nadir nach 2,5-jähriger Behandlung erreicht. Abb. 2 Zeitlicher Verlauf des PSA-Werts; nach klinischer Progression zum mCRPC unter adjuvanter Therapie erfolgte ein Therapiewechsel; erstellt mittels Daten von Dr. Stefan Machtens, Bergisch-Gladbach Springer Medizin Verlag GmbH × Therapiemanagement Die Therapie mit Olaparib plus Abiraterona wurde im gesamten Therapieverlauf gut vertragen. In den ersten 3 Monaten nach Therapiebeginn wurde bei den Studien-Kontrolluntersuchungen ein asymptomatischer Anstieg des Blutdrucks von 125/90 mm Hg auf 170/110 mm Hg diagnostiziert. Solche Blutdruckanstiege sind von Abirateron in frühen Therapiephasen bekannt. Eine antihypertensive Therapie mit einem ACE (Angiotensin Converting Enzyme)-Hemmer erwies sich als ineffektiv. Nach Umstellung auf eine Dreifachkombination mit ACE-Hemmer, Beta-Blocker und Diuretikum gingen die Blutdruckwerte auf 130/90 mm Hg zurück. Im weiteren Verlauf der Behandlung setzte sich die Blutdrucksenkung weiter fort, sodass der Beta-Blocker und das Diuretikum 09/2020 wieder abgesetzt werden konnten. Außerdem entwickelte der Patient im 6. Behandlungsmonat eine Obstipation, die über 8 Wochen mit Macrogol behandelt wurde. Danach normalisierte sich der Stuhlgang. Zu keinem Zeitpunkt der Therapie war eine Anämie nachweisbar. Fazit von Dr. Stefan Machtens Der Patient sprach bei negativem HRRm-Status gut auf Olaparib plus Abiraterona an. Die Therapie war im Allgemeinen gut verträglich. Es traten wenige Nebenwirkungen auf, die in der Regel gut zu handhaben waren. Oft erfolgt beim mCRPC ein Therapiewechsel, wenn der PSA-Wert nicht in den ersten 3 Behandlungsmonaten auf ≤0,5 ng/ml gefallen ist. Dieser Fall zeigt aber, dass es auch länger dauern kann, bis ein gutes serologisches Ansprechen eintritt (hier >2 Jahre). Ein Umdenken ist daher angezeigt: Behandelnde sollten abwarten und die Patienten mit einem guten Erwartungsmanagement führen. Bleiben die Restaging-Befunde unauffällig, ist kein Therapiewechsel notwendig. Dr. Stefan Machtens dankt Dr. Nicola Winter, Funktionsoberärztin der Klinik für Urologie am Marien-Krankenhaus, GFO Kliniken Rhein-Berg, und medizinische Koordinatorin des Zentrums, und Noemi Muthen, Leiterin der Studienzentrale der GFO Klinik Rhein-Berg, für die Unterstützung bei der Behandlung des hier vorgestellten Patienten. a Abirateron wird in Kombination mit Prednison/Prednisolon eingesetzt. b In beiden Behandlungsarmen der PROpel-Studie erhielten die Teilnehmenden zusätzlich Prednison/Prednisolon (5 mg 2x täglich, entsprechend einer 10-mg-Tagesdosis) sowie eine kontinuierliche ADT (bei Teilnehmenden ohne beidseitige Orchiektomie). Literatur Robert Koch-Institut, Krebs in Deutschland für 2017/2018, 13. Ausgabe, 2021 Clarke NW et al., NEJM Evid 2022, 1 (9) Chowdhury S et al., Target Oncol 2020,15:301–315 Fachinformation Lynparza® 100 mg/150 mg Filmtabletten, Stand: Oktober 2023 Clarke NW et al., J Clin Oncol 2023, 41 (6 suppl):LBA16 Thierry-Vuillemin A et al., J Clin Oncol 2022, 40 (16 suppl):#5019 De Bono J et al., N Engl J Med 2020, 382:2091–2102 Hussain M et al., N Engl J Med 2020, 383:2345–2357 Impressum „Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom – Olaparib plus Abirateron in der Praxis“ Literaturarbeit und Kasuistik Bericht: Dr. Günter Springer, Darmstadt Artikel gedruckt in Die Urologie, Band 62, Heft 12, Dezember 2023 Mit freundlicher Unterstützung der AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der MSD Sharp und Dohme GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Katharina Finis Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom - Olaparib plus Abirateron in der Praxis DE-64397/23

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