Erschienen in:
01.11.2013 | Leitthema
Abgrenzung Diagnosefehler zu Befunderhebungsfehler
verfasst von:
Prof. Dr. Dr. K.A. Grötz
Erschienen in:
Die MKG-Chirurgie
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Ausgabe 4/2013
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Zusammenfassung
Beim Behandlungsfehlervorwurf ist die Beweislast meist von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens. Grundsätzlich ist die Beweislast dem klageführenden Patienten zugeordnet. Nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers, kommt es zu Beweiserleichterungen bis zur Beweislastumkehr, sodass der beklagte Behandler beweisen muss, dass seine Behandlung nicht ursächlich ist für den eingetretenen Schaden des Patienten. Diesen Beweis zu führen, ist naturgemäß sehr schwer. In diesem Zusammenhang erhält ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dezember 2010 besondere Bedeutung, das – auch in Zusammenschau mit einem früheren BGH-Urteil vom April 2004 – diese Beweislastumkehr schon bei einem leichten Befunderhebungsfehler, dagegen aber erst bei einem besonders schwerwiegenden Diagnosefehler, vorsieht. Das Unterlassen einer als medizinisch notwendig erkannten Befunderhebung stellt somit das medizinjuristisch deutlich schwerwiegendere ärztliche Vergehen dar. Andererseits wird ein Diagnosefehler in deutlich größerem Umfang als eine letztlich nicht immer vermeidbare ärztliche Fehlleistung eingestuft, die auch ohne Sorgfaltspflichtverletzung vorkommen kann. Als Konsequenz wird dem Behandler empfohlen, auf der Basis der erhobenen Befunde immer eine Diagnose (zumindest eine Verdachtsdiagnose) abzuleiten oder, wenn dies nicht möglich erscheint, weitere notwendige diagnostische Maßnahmen in die Wege zu leiten. Dem medizinischen Sachverständigengutachter wird angeraten, bei Arzthaftungsprozessen sehr aufmerksam zwischen beiden ärztlichen Fehlern zu differenzieren.