Einleitung
Aussagepsychologische Begutachtungen spielen in straf- und auch sozialrechtlichen Prozessen im Zusammenhang mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung eine bedeutsame Rolle. Aufgrund der häufigen Abwesenheit objektiver Beweise sehen sich Betroffene sexualisierter Gewalt in unterschiedlichen Zusammenhängen mit aussagepsychologischen Begutachtungen konfrontiert. Die Durchführung des Verfahrens kann mitunter als belastend erlebt werden. So berichteten erwachsene Betroffene
1 im Rahmen der Begleitforschung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs sowie in einer qualitativen Untersuchung von schwierigen Erfahrungen durch den inhärent hinterfragenden Charakter des Verfahrens, durch spezifische Umstände des Verfahrens und Verhaltensweisen einzelner aussagepsychologischer Sachverständigen (Schoon und Briken
2021; Fegert et al.
2018; Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
2019,
2020). Für Betroffene sexualisierter Gewalt, die unter Traumafolgestörungen aufgrund der Missbrauchserfahrungen leiden, können ein Wiedergeben und Wiedererleben der Erfahrungen zudem besonders belastend sein (Fegert et al.
2018). Ein Vermeiden dieser möglichen Belastung kann manchmal auch einer der Gründe dafür sein, dass Betroffene Erlebtes gar nicht oder erst spät anzeigen (Kavemann et al.
2016). Stellen Betroffene erst im Erwachsenalter eine Anzeige oder einen Antrag auf Opferentschädigung, bedeutet dies häufig ein langes Zurückliegen der Tat/Taten. Dies kann Erinnerungsprozesse betroffener Personen erschweren und stellt zudem für aussagepsychologische Sachverständige eine Herausforderung dar, wenn es darum geht, die Entstehung einer Aussage nachzuvollziehen (Steller
2020; Volbert et al.
2019b). Insbesondere in Fällen multiplen Missbrauchs oder kontinuierlicher Geschehnisse kann es Betroffenen sexualisierter Gewalt ferner schwerfallen, einzelne Taten nach langer Zeit explizit zu erinnern und zu bestimmten Umständen detailliert Auskunft zu geben. Es gibt Hinweise darauf, dass dies in der Beschaffenheit von Erinnerungen an multiple, sich ähnelnde Erlebnisse begründet liegt (Woiwod et al.
2019; Hudson und Mayhew
2009).
Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zur Forschung über das Erleben von Glaubhaftigkeitsbegutachtungen leisten und letztere im Zusammenhang mit Bewältigungsprozessen Betroffener sexualisierter Gewalt näher beleuchten. Hierfür werden verschiedene Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen und Erfahrungen genutzt, bisherige Erkenntnisse erweitert und kontrastiert. Ferner sollen mögliche Veränderungsimpulse zur Verringerung von Belastungen im Rahmen von straf- und sozialrechtlichen Verfahren beschrieben und im Kontext des fachübergreifenden Diskurses eingeordnet werden. Implikationen für zukünftige Forschung werden diskutiert. Es erfolgte dazu die Durchführung von insgesamt 3 Fokusgruppen mit Fachexpert:innen der Bereiche Jura, Rechtspsychologie, Kriminologie, klinische Psychologie und spezialisierte Fachberatung bei sexualisierter Gewalt sowie Expert:innen aus Erfahrung. Die Zielsetzung ist ein erweitertes Verständnis der Bedürfnisse Betroffener sexualisierter Gewalt und Fachexpert:innen im Rahmen ihrer Arbeit in verschiedenen Kontexten mit Betroffenheit sexualisierter Gewalt.
Diskussion
Die einzelfallorientierte sowie fallübergreifende Analyse der Fokusgruppen und des Interviews deutet darauf hin, dass Personen mit unterschiedlichen fachlichen, professionellen und persönlichen Hintergründen verschiedene Hindernisse und Belastungsquellen für Opferzeug:innen und Betroffene sexualisierter Gewalt im Rahmen von straf- und sozialrechtlichen Verfahren identifizieren. Dazu zählten auch Erfahrungen im Zusammenhang mit aussagepsychologischen Begutachtungen. Im Hinblick auf die Durchführung einer Glaubhaftigkeitsbegutachtung könnten Belastungserfahrungen u. a. auf die intensive und kritische Auseinandersetzung mit der Aussage und der Aussageentstehung zurückzuführen sein. Darüber hinaus erkennen Teilnehmende das Spannungsfeld an, welches sich durch die teilweise konträr gelagerten Anforderungen und Ziele unterschiedlicher staatlicher Rechts- und Versorgungssysteme ergeben kann. Die schwierigen Erfahrungen und mögliche Auswirkungen auf individuelle Bewältigungsprozesse wurden dabei eindrücklich aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben.
Teilnehmende aller Fokusgruppen benannten Herausforderungen für das Verfahren der Glaubhaftigkeitsbegutachtung unter spezifischen Umständen. Aspekte wie ein langes Zurückliegen der Tat/Taten und die Schwierigkeiten der Erinnerung an eine spezifische Tat in einem kontinuierlichen Missbrauchsgeschehen wurden dabei bereits an anderer Stelle genannt (Volbert
2012; Niehaus et al.
2017; Volbert et al.
2019b; Steller
2020). Zudem finden sich diese und weitere Aspekte des Erlebens von Glaubhaftigkeitsbegutachtungen, wie beispielsweise unangenehme Erfahrungen aufgrund unsensiblen Verhaltens einzelner aussagepsychologischer Sachverständigen und ein Gefühl des grundsätzlichen Nicht-Glauben-Schenkens, ebenfalls in einer qualitativen Untersuchung sowie der Begleitforschung des UBSKM (Schoon und Briken
2021; Fegert et al.
2018; Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
2020). Im Hinblick auf letzteren Aspekt sei zudem eine Untersuchung von König und Fegert (
2009) erwähnt. Die Autor:innen fanden in einer Teilstichprobe von insgesamt 120 Glaubhaftigkeitsgutachten aus den Jahren 2000 und 2001 aus Mecklenburg-Vorpommern, dass Auftraggeber:innen in 66 % der Fälle im Auftragsschreiben gezielt nach einer Überprüfung der „Glaubwürdigkeit einer Person“ und lediglich 18 % nach der „Glaubhaftigkeit einer Aussage“ fragten. Diese Formulierung verstärkt bei Individuen womöglich den Eindruck, im Rahmen einer Glaubhaftigkeitsbegutachtung werde auch eine „Glaubwürdigkeit“ ihrer Person überprüft. Dies deutet nicht zuletzt darauf hin, dass die Methode der Glaubhaftigkeitsbegutachtung sich in manchen Bereichen und für manche Akteur:innen nicht ausreichend verstehbar macht.
Auch im Hinblick auf mögliche Veränderungsimpulse äußerten die Teilnehmenden der verschiedenen Fokusgruppen ähnliche Überlegungen. Die Einführung neutralerer Begrifflichkeiten befürworteten die Teilnehmenden aller 3 Fokusgruppen. Die Problematik und das Missverständnis, welches mit der Begrifflichkeit der „Nullhypothese“ einhergehen kann, wird von einschlägigen Autor:innen anerkannt (Greuel
2009; Volbert et al.
2019b). Ein Verzicht auf diese Begrifflichkeit sei auch laut Steller (
2020) vertretbar. Als wichtigster Aspekt zur Reduktion vermeidbarer Belastungen im Zusammenhang mit Strafverfahren kristallisierten sich in der Diskussion der Fachexpert:innen allerdings die Verbesserung und Vereinheitlichung der Aussageerfassung heraus. Die Bedeutsamkeit dieses Aspektes wird u. a. auch von Niehaus et al. (
2017) und Volbert et al. (
2019a) wiederholt hervorgehoben. Insbesondere die konsequentere Anwendung von Videovernehmungen könne dabei zielführend sein (Volbert et al.
2019a). Dies kann voraussichtlich durch die Reform der StPO 2019 gewährleistet werden. Durch eine Änderung der §§ 58a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 255a Abs. 2 StPO erfolgen Aufzeichnungen der Vernehmungen, inzwischen sowohl von zur Vernehmung oder Tatzeit minderjährigen als auch erwachsenen Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wenn dadurch die schutzwürdigen Interessen des Opfers besser gewahrt werden können und Opferzeug:innen der Aufzeichnung der Vernehmung zustimmen. Diese Aufzeichnungen können auch in der Hauptverhandlung genutzt werden.
Ein weiterer Aspekt, den die Teilnehmenden aller Fokusgruppen hervorhoben, ist die Notwendigkeit einer systematischen Professionalisierung der Justiz in Form von Fort- und Weiterbildungen aller Verfahrensbeteiligten, die im Rahmen von sozial- und strafrechtlichen Verfahren möglicherweise auf Betroffene sexualisierter Gewalt treffen. Ein Fokus lag dabei v. a. auf Richter:innen und anderen Jurist:innen sowie auf Polizist:innen. Diese Forderung sowie die nach einem gegenseitigen Weiterbilden der unterschiedlichen Fachdisziplinen finden sich schon seit Längerem in der einschlägigen Literatur (Greuel und Petermann
2011). Darüber hinaus betonten v. a. die Teilnehmenden der ersten Fokusgruppe die Notwendigkeit der Veränderung spezifischer strafprozessualer Gegebenheiten, um Belastungen für Opferzeug:innen in straf- und sozialrechtlichen Verfahren zu reduzieren. Genannt wurden hier die Verkürzung von Verfahrensdauer, die Verbesserung der Vernetzung zwischen Verfahrensbeteiligten der Justiz und therapeutischen Akteur:innen sowie die konsequentere Informationsweitergabe zu generellen und v. a. individuellen Verfahrensabläufen an Opferzeug: innen und Nebekläger:innen. Dies deckt sich auch mit den „Empfehlungen zur Verbesserung der Situation von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend betroffener Menschen in Ermittlungs- und Strafverfahren“ der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
2020).
Betroffene berichteten im Rahmen der Fokusgruppen und der Anhörungen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs von negativen Erfahrungen aufgrund unsensiblen Umgangs durch aussagepsychologische Sachverständige (Schoon und Briken
2021). Hier würden laut Teilnehmenden der ersten Fokusgruppe v. a. die Qualifizierung von Sachverständigen und Gutacher:innen sowie Qualitätsstandards von aussagepsychologischen Gutachten eine Rolle spielen. Gewährleistet werden sollten also zunächst v. a. die korrekte Anwendung des Verfahrens der Glaubhaftigkeitsbegutachtung. Schließlich seien einige Belastungen für Opferzeug: innen dadurch von vorneherein vermeidbar (Volbert et al.
2019b). Dazu könne auch zählen, unter bestimmten Umständen auf weitere möglicherweise belastende Befragungen zum Erlebten und ggf. die Durchführung einer inhaltsanalytischen Merkmalsanalyse einer Aussage zu verzichten (Greuel und Petermann
2011; Volbert et al.
2019b). Aussagepsychologische Sachverständige sollten darüber hinaus zusätzlich über klinisches Wissen, v. a. aber über fundierte gedächtnispsychologische Kenntnisse verfügen (Niehaus
2018; Hohoff
2021; Volbert et al.
2019b; Rohmann
2018). Dies könne auch zu einem empathischeren persönlichen Umgang in Begutachtungssituationen beitragen. Eine zusätzliche Wissensvermittlung zum Umgang mit potenziell traumatisierten Klient:innen wird ebenfalls als sinnvoll eingeschätzt (Bublitz
2020). Banse (
2017) und Okulicz-Kozaryn et al. (
2019) schlagen weiterhin vor, die Bezeichnung „rechtspsychologische/r Sachverständige“ schützen zu lassen und die bisherigen Zertifizierungsverfahren auszuweiten.
Vor allem in Fokusgruppe 2 wurde das aktuelle Vorgehen zur Prüfung der Glaubhaftigkeit von Aussagen mittels aussagepsychologischer Begutachtung im Rahmen von OEG-Verfahren kritisch thematisiert. Teilnehmende beschrieben die Beweisschwelle für Betroffene sexualisierter Gewalt in diesen Verfahren als schwer überwindbar. Laut Volbert et al. (
2019b) sei die Überprüfung des Erlebnisbezuges von Aussagen zwar nicht per se vom Rechtskontext beeinflusst, allerdings entstünden durch unterschiedliche Beweisschwellen teils unterschiedliche Anforderungen an das Glaubhaftigkeitsbegutachtungsverfahren. In OEG-Verfahren reiche häufig die „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“, dass Ereignisse so stattgefunden haben. Die aussagepsychologische Methodik sieht einen solchen differenzierter Vergleich verschiedener Hypothesen allerdings nicht vor. Dennoch sei es in vielen Fällen möglich, Hypothesen vergleichend zu diskutieren (Volbert et al.
2019b). In diesem Zusammenhang erfolgte zwischenzeitlich sogar ein Beschluss wonach aussagepsychologische Sachverständige zukünftig relative Wahrscheinlichkeiten für konkurrierende Hypothesen prüfen sollten (BSG, Urt. v 17.04.2013 – B 9V 1/12 R, Rn. 58). Da dies genaugenommen allerdings nicht der Logik aussagepsychologischer Gutachten entspricht, wurde der Beschluss wieder zurückgezogen (Volbert et al.
2019b; Bublitz
2020). Ab dem 01.01.2024 tritt das neue Soziale Entschädigungsrecht (SER) in Kraft. Im Zuge der Opferentschädigung käme Betroffenen sexualisierter Gewalt vor allem eine neue Regelung zur Beweiserleichterung bei der Kausalitätsprüfung psychischer Erkrankungen zugute.
In der ersten Fokusgruppe wurde ferner eine bessere Aufklärung von Opferzeug:innen gefordert. Dies deckt sich auch mit Forderungen von Bublitz (
2020), der diese Aufklärung nicht nur von aussagepsychologischer Seite im Hinblick auf mögliche Erwartungen an das Vorgehen und den Ausgang eines strafrechtlichen Verfahrens, sondern auch durch Therapeut:innen fordert. Auch Volbert et al. (
2019b) und Schemmel und Volbert (
2021) sprechen sich dafür aus, Personen, die ein Strafverfahren anstreben, im Vorhinein einer Therapie über mögliche Auswirkungen psychotherapeutischer Interventionen auf Erinnerungsinhalte und die damit einhergehenden Implikationen im Falle einer Glaubhaftigkeitsbegutachtung umfassend aufzuklären. Schemmel und Volbert (
2021) beleuchten zudem psychotherapeutische Behandlungen im Zusammenhang mit Strafverfahren näher und formulieren eine Reihe an Hinweisen für Praktiker:innen. Ein generelles Abraten von Psychotherapie zugunsten der Glaubhaftigkeit sei nicht sinnvoll und stabilisierende Maßnahmen nach traumatischen Erfahrungen zu befürworten. Hilfreich könne es allerdings sein, wenn Personen vor dem Beginn einer Psychotherapie eine Anzeige stellten, um eine umfassende Aussageerfassung sicherzustellen. Problematisch einzuschätzen sei es hingegen, wenn eine Psychotherapie vor einer Anzeigestellung begonnen wurde und bei Klient:innen zuvor keine expliziten Erinnerungen vorgelegen hätten. Würden dann im Zuge einer Psychotherapie bestimmte imaginativ-konfrontative Verfahren angewandt und gezielt nach Erinnerungen gesucht, bestünde die Gefahr möglicher Erinnerungsveränderungen. Um potenzielle Erinnerungsveränderungen rekonstruieren zu können, befürworten die Autor:innen in jedem Falle eine ausführliche Dokumentation der therapeutischen Sitzungen, wenn über potenziell strafrechtlich relevante Inhalte gesprochen wird.
Ferner erscheint es wichtig, Personen grundsätzlich gezielter und ausführlicher über die Möglichkeiten und Grenzen straf- und sozialrechtlicher Verfahren aufzuklären (Volbert
2012). So könnte laut Volbert (
2012) ein Grund für ein Belastungserleben im Rahmen von Strafverfahren auch auf gesteigerte Erwartungen durch einen deutlich opferorientierteren Diskurs in der Fachwelt und Öffentlichkeit zurückzuführen sein.
Im Hinblick auf erlebte Belastungen im Zusammenhang mit Glaubhaftigkeitsbegutachtungen und im Zuge von gerichtlichen Verfahren allgemein erscheint allerdings nicht nur das Erleben betreffender Personen relevant, sondern auch mögliche Auswirkungen auf andere Betroffene sexualisierter Gewalt. So entscheiden sich einige Betroffene bewusst gegen ein Strafverfahren oder den Antrag auf Opferentschädigung, um vermeintlich vorrübergehende Belastungen zu vermeiden (Kavemann et al.
2016). Dies kann allerdings weitere, weitreichende Folgen haben. So berichten erwachsene Betroffene auch im Rahmen der Untersuchung von Schoon und Briken (
2021) von einer fehlenden finanziellen Absicherung und damit einhergehenden sozioökonomischen Schwierigkeiten. Es erscheint naheliegend, dass ein fehlender Zugang zum Strafrecht bzw. zum Sozialen Entschädigungsrecht auch negative Auswirkungen auf individuelle Bewältigungsprozesse haben kann.
Für zukünftige Forschungsvorhaben ist ein systematisches Untersuchen des Erlebens von Glaubhaftigkeitsbegutachtung zielführend (Volbert et al.
2019b). Im Zuge dessen könnten auch die Zufriedenheit mit Glaubhaftigkeitsbegutachtungen und mögliche beeinflussende Faktoren, unter Berücksichtigung des Ergebnisses eines Gutachtens, näher untersucht werden (Wegener
1989). Zum besseren Verständnis belastender Erfahrungen im Zusammenhang mit Glaubhaftigkeitsbegutachtungen wäre in Zukunft eine gezielte Untersuchung und Differenzierung von möglicherweise kurzfristigen und langfristigeren Auswirkungen auf die individuelle Bewältigung von Erfahrungen sexualisierter Gewalt sinnvoll. Der aktuelle konstruktive interdisziplinäre Austausch sollte in jedem Fall genutzt werden, um die vielfach beschriebenen und auch durch die Teilnehmenden der Fokusgruppen identifizierten Veränderungsmöglichkeiten weiter zu gestalten und somit vermeidbare Belastungen, auch im Rahmen von Glaubhaftigkeitsbegutachtungen, für Betroffene sexualisierter Gewalt in Zukunft zu reduzieren.
Limitationen
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine qualitative Untersuchung einer geringen Anzahl an Fokusgruppen und eines Interviews. Die Untersuchung ist demnach nicht repräsentativ, und verallgemeinernde Schlussfolgerungen sind nicht möglich. Im Hinblick auf eine Übertragbarkeit der Ergebnisse sei dennoch zu erwähnen, dass im Rahmen der Abschlusstagung des Verbundprojektes „Auf-Wirkung“ 2 teilnehmende Expert:innen aus Erfahrung aus 2 unterschiedlichen Fokusgruppen die vorläufigen Ergebnisse des Teilprojekts 3 „Hindernisse für eine Bewältigung von Erfahrungen sexualisierter Gewalt“ kommentierten und kritisch einordneten. Die Impulse der inhaltlich reflektierenden Kommentare und der anschließenden Diskussion können im Sinne einer kommunikativen Validierung und qualifizierten Rückmeldung gedeutet werden und dienen somit der Qualitätssicherung der Erkenntnisprozesse (Kuckartz
2018). Aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Fokusgruppen konnten zudem unterschiedlichste fachliche und persönliche Expertisen eingeholt werden. Dies gewährleistete einen detaillierten Einblick in verschiedene interdisziplinäre Perspektiven. Alle Teilnehmenden wurden aufgrund ihrer Expertise gezielt und damit nicht zufällig ausgewählt. Das Teilprojekt 3 des Verbundprojektes „Auf-Wirkung“, in dessen Rahmen die vorliegende Studie entstanden ist, stellte gezielt die Untersuchung hinderlicher Erfahrungen Betroffener sexualisierter Gewalt in den Fokus. Zukünftige Studien zum Erleben von aussagepsychologischen Gutachten sollten das Phänomen ganzheitlich und systematisch untersuchen. Es konnte nicht nachvollzogen werden, warum 2 der 15 eingeladenen Teilnehmende sich nicht auf die Einladung zurückmeldeten. Ein Fokus dieses Beitrages liegt auf dem Erleben von aussagepsychologischen Begutachtungen. Eine der Sichtweisen bezieht sich dabei auf Erfahrungen von Menschen, deren Aussagen im sozial- oder im strafrechtlichen Kontext begutachtet wurden. Diese Schilderungen werden hier unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens oder eines Gutachtens beschrieben. Es ist möglich, dass die Bewertung einer Begutachtungssituation mit deren Ausgang zusammenhängen kann (Wegener
1989). Diese Zusammenhänge können im Rahmen der aktuellen Arbeit nicht abgebildet werden. Das interdisziplinäre Fokusgruppensetting wurde allerdings gewählt, um möglichst vielseitige Perspektiven zum Erleben von Glaubhaftigkeitsbegutachtung abzubilden und zu beschreiben.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.