Empfehlung
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für Patienten mit niedrigfrequenter episodischer Migräne (< 8 monatliche Migränetage; MMDs) zu Behandlungsbeginn, kürzerer Erkrankungsdauer und ohne komorbide Erkrankungen wie Depression, Angststörung oder chronische Schmerzerkrankung: 6 bis 12 Monate Therapiedauer bei klinisch signifikanter Reduktion der Migräne (d. h. ≥ 50 % Reduktion MMDs, ≥ 30 % Reduktion Migraine Disability Assessment Score (MIDAS), ≥ 5 Punkte Reduktion Headache Impact Test‑6 [HIT‑6]), bevor ein Absetzen der Migräneprophylaxe erfolgt
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für Patienten mit längerer Migräneanamnese, hochfrequenter episodischer (≥ 8 MMDs) oder chronischer Migräne zu Behandlungsbeginn und Begleiterkrankungen wie Depression, Angststörung oder chronische Schmerzerkrankung: mindestens 12 bis 24 Monate Therapiedauer bei klinisch signifikanter Reduktion der Migräne (d. h. ≥ 30 bis ≥ 50 % Reduktion MMDs, ≥ 30 % Reduktion MIDAS, ≥ 5 Punkte Reduktion HIT‑6), bevor ein Absetzen der Migräneprophylaxe erfolgt
Hintergrund
Hoher Leidensdruck |
Mindestens 4 Migränetage pro Monat oder lange oder schwer behandelbare Migräneattacken |
Migräneattacken mit einschränkenden Aurasymptomen |
Migräneattacken, die auf eine Akuttherapie nicht ansprechen |
Risiko eines Medikamentenübergebrauchs |
Methode
Frage 1 | Ist das Beenden/Absetzen einer medikamentösen Migräneprophylaxe sinnvoll? |
Frage 2 | Nach welcher Therapiedauer kann eine erfolgreiche Prophylaxe abgesetzt werden? |
Frage 3 | Welche Kriterien gelten für die Wiederaufnahme einer medikamentösen Prophylaxe? |
Frage 4 | Was muss bei einer langfristig eingesetzten medikamentösen Migräneprophylaxe beachtet werden? |
Ergebnisse
Daten zur Therapiedauer von Migräneprophylaxen und Verlauf nach Beenden der Medikation
Placebo
Klassische unspezifische Prophylaxen
OnabotulinumtoxinA bei chronischer Migräne
Spezifische Prophylaxemedikamente
Weitere Aspekte der medikamentösen Prophylaxe bei Migräne
Absetzen der medikamentösen Migräneprophylaxe – wie gehen Patienten damit um?
Praxisfragen zum Beenden einer medikamentösen Migräneprophylaxe
Frage 1
Ist das Beenden/Absetzen einer medikamentösen Migräneprophylaxe sinnvoll?
Argumente für Absetzversuch | Argumente gegen Absetzversuch |
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– Rasches und anhaltend gutes Ansprechen auf die Prophylaxe – < 8 MMDs und niedrige migränebedingte Beeinträchtigung vor Beginn der Therapie – Schlechte Verträglichkeit – Alter > 60 Jahre (prognostisch zu erwartende spontane Besserung der Migräne) – Wegfall von ungünstigen Begleitfaktoren (berufliche oder private Belastungsfaktoren) – Familienplanung | – Verzögertes Ansprechen auf die Prophylaxe – Gesicherter Wirknachweis, aber weiterhin hohe Krankheitslast (z. B. hohe Anzahl von MMDs, hohe Beeinträchtigung der Lebensqualität) – Hohe Anzahl von MMDs und hohe migränebedingte Beeinträchtigung vor Beginn der Therapie – Multiple vorangegangene unzureichend wirksame Therapieversuche der Migräneprophylaxe – Anhaltende und bevorstehende psychosoziale Belastungssituationen – Komplexe somatische und psychische Komorbiditäten – Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch aktuell oder in der Vergangenheit – Bei Patienten unter Therapie mit OnabotulinumtoxinA- oder CGRP/(R)-AK-Therapie: wiederholt beobachtete nachlassende Wirkung zum Ende des Dosierungsintervalls |
Frage 2
Nach welcher Therapiedauer kann eine erfolgreiche Prophylaxe abgesetzt werden?
Substanz | EMA (D, A) | Swissmedic (CH) |
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Erenumab | Es wird empfohlen, nach den ersten drei Monaten der Behandlung in regelmäßigen Abständen zu evaluieren, ob die Behandlung fortzusetzen ist. | Bei mangelndem Therapieansprechen beziehungsweise nach spätestens 12 Monaten sollte eine Reevaluation zur Fortführung der Therapie vorgenommen werden. |
Fremanezumab | Der Nutzen der Behandlung ist innerhalb von 3 Monaten nach Behandlungsbeginn zu bewerten. Jede weitere Entscheidung bezüglich einer Fortführung der Behandlung ist für jeden Patienten individuell abzuwägen. Es wird empfohlen, die Notwendigkeit zur Fortsetzung der Behandlung danach regelmäßig zu beurteilen. | Bei mangelndem Therapieansprechen beziehungsweise nach spätestens 12 Monaten, sollte eine Reevaluation zur Fortführung der Therapie vorgenommen werden. |
Galcanezumab | Der Behandlungserfolg sollte 3 Monate nach Behandlungsbeginn beurteilt werden. Jede weitere Entscheidung, die Behandlung fortzusetzen, sollte für jeden Patienten individuell erfolgen. Es wird empfohlen, anschließend regelmäßig zu überprüfen, ob eine Weiterbehandlung notwendig ist. | Bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie oder mindestens einmal pro Jahr sollte eine Reevaluation hinsichtlich Notwendigkeit der Fortführung der Therapie vorgenommen werden. |
Eptinezumab | Der Nutzen und die Fortführung der Behandlung sollten 6 Monate nach Behandlungsbeginn beurteilt werden. Jede weitere Entscheidung über die Fortführung der Behandlung sollte für jeden Patienten individuell getroffen werden. | Bei mangelndem Therapieansprechen beziehungsweise nach spätestens 12 Monaten sollte eine Reevaluation zur Fortführung der Therapie vorgenommen werden. |
Frage 3
Welche Kriterien gelten für die Wiederaufnahme einer medikamentösen Prophylaxe?
Frage 4
Was muss bei einer langfristig eingesetzten medikamentösen Migräneprophylaxe beachtet werden?
Migräneprophylaxe | Kontraindikationa | Bemerkung |
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Amitriptylin | Herzinfarkt Koronare Herzkrankheit Herzrhythmusstörungen Schwere Lebererkrankung | Kontrollen von Labor (Blutbild, Leberfunktionstest), EKG |
Metoprolol/Propranolol | Herzinsuffizienz, AV-Block 2. oder 3. Grades, Bradykardie, Hypotonie | Kontrollen von Blutzucker bei Diabetikern, EKG |
Topiramat | Keine hochwirksame Verhütungsmethode, Schwangerschaft Nephrolithiasis | Cave Einfluss auf orale Kontrazeption bei > 200 mg/Tag |
Flunarizin | Extrapyramidalen Erkrankungen, depressives Syndrom Schwangerschaft | Sedierende Wirkung kann durch Alkohol, Schlafmittel, Tranquilizer verstärkt werden |
OnabotulinumtoxinA | Neuromuskuläre Erkrankungen, Schwangerschaft und Stillzeit | In Deutschland: Zulassung für chronische Migräne ab 18. Lebensjahr |
Erenumab Galcanezumab Fremanezumab Eptinezumab | Schwangerschaft, Stillzeit Einsatz bei erhöhtem zerebro-/kardiovaskulärem Risiko, Raynaud-Syndrom, entzündlichen Darmerkrankungen, COPD, Wundheilungsstörungen unter strenger Nutzen-Risiko-Bewertung | Zur Sicherheit bei Patienten > 65 Jahre liegen nur einzelne kleine Fallserien vor |